Vortrag von Udo di Fabio Woran scheiterte die erste Demokratie in Deutschland?

Saarbrücken · Der frühere Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio sprach in Saarbrücken über die Konstitution der Weimarer Republik vor bald 100 Jahren.

 Der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio war zu Gast in Saarbrücken.

Der frühere Verfassungsrichter Udo di Fabio war zu Gast in Saarbrücken.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Dass die Weimarer Republik unterging und in einer Diktatur mündete, lag nicht an der Verfassung, sondern daran, dass „am Ende niemand mehr die Demokratie wollte“. Das war eine der Kernthesen des früheren Verfassungsrichters Professor Udo di Fabio bei einem Vortrag der Stiftung Villa Lessing in Saarbrücken. Die Ablehnung dieser Staatsform in Deutschland sei nicht nur an den politischen Rändern zu beobachten gewesen. „Das ging bis in die Mitte der Gesellschaft“, betonte der Rechtsgelehrte, der durch sein jüngstes Buch „Die Weimarer Verfassung – Aufbruch und Scheitern“ als ausgewiesener Kenner dieser Epoche gilt.

Die politische Ordnung, die sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Deutschland formte und die mit der Verkündung der Reichsverfassung vor 100 Jahren (14. August 1919) offiziell etabliert war, „musste von Anfang an mit existenziellen Krisen fertig werden“, erinnerte die Fabio. Denn als sich Millionen von Soldaten aus den Schützengräben auf den Weg in die Heimat machten, „hatten sie zunächst ihre Kompaniefahnen gegen die roten Fahnen der Arbeiterbewegung ausgetauscht und die Macht auf die Straße getragen“.

Dass in diesen revolutionären Zeiten dennoch ein demokratisches Staatswesen nach einer Zwischenphase der Arbeiter- und Soldatenräte aus der Taufe gehoben wurde, „war in erster Linie dem ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert zu danken“. Dieser habe trotz Widerstands in den eigenen Reihen die Demokratie etablieren können. Geholfen habe ihm dabei, dass er sich nach den Wahlen zur Weimarer Nationalversammlung anfangs auf eine breite Mehrheit stützen konnte.

Der entscheidende Fehler sei mit der Wahl Paul von Hindenburgs zum Reichspräsidenten nach dem Tod Eberts im Jahr 1925 gemacht worden. Der Heerführer des Ersten Weltkriegs habe zwar immer betont, dass er hinter der Weimarer Verfassung stehe. Im politischen Alltag habe er aber alles dafür getan, einen von Rechten getragenen autoritären Staat zu schmieden, was mit der Ernennung des „Gangsters Adolf Hitler“ zum Reichskanzler eine fatale Entwicklung nahm. Di Fabio vertrat in der von SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst moderierten Diskussion die These, „dass ein von der Demokratie überzeugter Reichspräsident die Nazi-Diktatur hätte verhindern können – allein aus der Machtfülle seines Amtes heraus und ungeachtet der antidemokratischen Rechtsverschiebung in der Bevölkerung“.

Auf einen Vergleich der Weimarer Verfassung mit dem Grundgesetz, das dieses Jahr 70 Jahre wird, ließ sich di Fabio nicht ein. Beide seien aus verschiedenen Erfahrungswelten heraus entstanden. Die Weimarer Gesellschaft sei stark von der Herkunft der Menschen und den Milieus geprägt gewesen, die deutsche Mittelstandsgesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, „die zudem stark durchlässig war“, jedoch nicht. Das Grundgesetz sei „eine klug konzipierte Verfassung, die auch noch die nächsten 70 Jahre gelten kann, wenn sie nicht mit zu viel modischem Zeitgeist überfrachtet wird“. Allerdings sollten sich die Menschen nicht darauf verlassen, „dass die Demokratie selbstverständlich ist“. Dies sei angesichts des erstarkenden Rechtspopulismus in Europa „problematisch“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort