Theaterstück Das Treffen, das es niemals gab

Von Kerstin Krämer · Saarbrücker Theatermacher zeigen, was Karl Marx und Mahatma Gandhi einander zu sagen hätten.

„Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur. Sie ist das Opium des Volkes.“ Klar, dieses berühmte Zitat von ihm muss fallen in einem Stück über Karl Marx. Aber wie passt Mahatma Ghandi da rein? Angenommen, die beiden wären einander begegnet: Worüber hätten Marx und Ghandi miteinander geredet? Hätte sich der deutsche Philosoph Marx, Protagonist der Arbeiterbewegung, Gesellschaftsökonom und Theoretiker des Kommunismus, mit dem indischen Asketen, Pazifisten, Revolutionär und Widerstandskämpfer Gandhi verstanden? Natürlich haben sich die zwei nie getroffen: Als Ghandi 1888 zum Studium in London eintraf, war Marx schon fünf Jahre tot.

Aber was wäre, wenn? Und ist diese Überlegung wirklich so absurd, wie sie zunächst klingt? Schließlich hatten beide Männer eine leidenschaftliche Mission und werden in aktuellen Umfragen regelmäßig zu den größten Denkern des Jahrtausends gekürt. Was also hätten sie einander zu sagen gehabt? Dieser Frage spürt nun das Schauspiel „Marx und Gandhi. Face to face“ im Theater im Viertel (TiV) nach.

Die Idee zur virtuellen Begegnung der unterschiedlichen Geistesgrößen stammt vom Schauspieler und Tänzer Miguel Bejarano Bolívar (bekannt vom Musik-TanzTheater-Labor „MuTanTh“). Bolívar: „Ich bin von beiden gleichermaßen begeistert. Ich habe eine Sympathie für den Kommunismus, und ich bin leidenschaftlicher Pazifist.“ Bolívar wandte sich an den Schauspieler, Autor und Kabarettisten Peter Tiefenbrunner, der aus der Idee ein Zwei-Personen-Stück machte und Marx und Ghandi zumindest dramaturgisch zusammenbrachte – die beiden treffen sich nun posthum an einem nicht näher definierten Ort.

Dritter im Bunde ist der Schaupieler Sebastian Müller-Bech: Er schlüpft in die Rolle des glatt rasierten Karl Marx (tatsächlich ließ dieser sich kurz vor seinem Tod den martialischen Bart abnehmen), während Bolívar Ghandi verkörpert und dabei dem Original verblüffend ähnelt.

Damit nicht genug: Tiefenbrunner, der bei der Produktion auch Regie führt, hat das Geschehen auf drei Ebenen angesiedelt. Da wären zunächst Marx und Ghandi selbst, die miteinander „Gedanken-Judo“ spielen, wie es Tiefenbrunner formuliert: „Kopf-Schach ohne Brett“ statt ideologischer Debatten. Hier wurde Biographisches fiktiv verarbeitet, und dabei darf‘s menscheln: Marx bekennt lyrische Jugendsünden, Ghandi redet über die Ängste seiner Kindheit.

Dann sind da die konträren Typen Charlie (Müller-Bech) und Mo (Bolívar), die den Auftrag haben, das etwas in Schieflage geratene Grab von Marx auf dem Londoner Friedhof Highgate (Bühnenbau: Jochen Maas) in Ordnung zu bringen. Bei ihrer Annäherung stoßen die zwei Männer, jeder in prekären Arbeitsverhältnissen, auf eine verstörende Ungleichbehandlung und noch verstörendere Lebens-Parallelen.

Die dritte Ebene bildet ein Puppentheater nach dem Vorbild von „Punch and Judy“, einem dem deutschen Kasperletheater verwandten und meist mit Handpuppen gespielten Figurentheater aus dem englischen Raum: Die beiden garstigen Puppen, entworfen von Barbara Seithe, dürfen sich nach Kräften über Marx und Ghandi lustigmachen.

Dazu spielen der Kontrabassist Gabriele Basilico und der Gitarrist Gilles Grethen eine Musik im Spannungsfeld zwischen dem Einheitsfront-Lied von Brecht/Eisler und indischen Sitar-Klängen. „Es ist nicht so, dass wir aus dem Ganzen irgendeine Conclusio ziehen möchten, aber wir meinen das durchaus ernst“, sagt Tiefenbrunner.

Dabei taugt das theatralische Rütteln an den Denkmälern von Marx und Gandhi mit seinen verschrobenen Typen, kuriosen Lebensläufen, ideologischen Verbrämungen und absurden Situationen durchaus auch zum Lachen.

Uraufführung: Donnerstag, 6. Dezember, 19.30 Uhr, TiV. Wieder: Samstag, 8. Dezember, 19.30 Uhr, Sonntag, 9. Dezember, 17 Uhr.
 Karten, Infos: Tel. (06 81) 3 90 46 02.

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