Europawahl-Umfrage in Saarbrücken Ja zur EU – doch sie muss sich bewegen

Saarbrücken · SZ-Umfrage zur Wahl zeigt: Jugend bekennt sich zu Europa und Reisefreiheit. Für die Politiker gibt es aber viel zu tun.

 Arbeitsplatz Europaparlament: Am 26. Mai geht es darum, wer dort bis 2024 Politik macht.

Arbeitsplatz Europaparlament: Am 26. Mai geht es darum, wer dort bis 2024 Politik macht.

Foto: picture-alliance/ dpa/dpa Picture-Alliance/Maxppp Je

Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenwürde: Die Mitgliedsländer der Europäischen Union nehmen für sich in Anspruch, für all das zu stehen und sich dafür einzusetzen. Zur Europawahl am 26. Mai lohnt es sich, einmal nachzufragen, was junge Menschen wirklich mit der EU verbinden.

Erster Eindruck: Egal scheint die Union in diesen Tagen nur wenigen Jüngeren zu sein. Viele verbinden Positives mit dem Staatenbund. Freiheit ist da an erster Stelle zu nennen. Gleich vor Vielfalt in Form einer multikulturellen Gesellschaft. Gemeinsame Ziele und Werte sowie Frieden stehen in der Rangliste unserer Befragten weit oben. Was noch? „Ganz klar, wir können durch die EU tingeln, ohne den Pass vorzuzeigen, können einfach die Grenzen überschreiten. Es ist möglich, in jedem EU-Staat zu leben und zu arbeiten“, sagt Verena Jochum (24). Zudem lobt sie, dass die EU Vorreiterin bei der humanitären Hilfe sei. Jonas Fischer (25) schätzt vor allem die Bildungsmöglichkeiten, insbesondere Förderprogramme wie Erasmus. Sie erlauben es Studenten, mit Auslandsaufenthalten in der EU einerseits ihre Bildung zu verbessern und andererseits andere europäische Nationalstaaten kennenzulernen.

Für Maximiliane (26) bedeutet die EU Freundschaft und ein verstärktes Einheitsgefühl. Doch sie verbindet nicht nur Positives mit der Union. Sie denke auch daran, dass es oft keine gleichen politischen Ziele in den einzelnen Ländern gibt – etwa in Bereichen wie Demokratie, bei den Abtreibungsgesetzen oder im Umgang mit der allgegenwärtigen Flüchtlingskrise.

Julien Brengel (32) schätzt zwar das freie Reisen, die einheitliche Währung und die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU, gleichzeitig sieht er aber Reformbedarf. „Die Welt hat sich seit der Gründung radikal gewandelt, und die EU muss sich daher den neuen Begebenheiten anpassen“, meint er. Besonders im Hinblick auf die anstehende Europawahl ist es ihm wichtig, dabei „nicht den Nationalisten und Rechten die politische Bühne zu überlassen“. Daher lautet seine Botschaft: „Geht wählen!“

Für viele junge Menschen, die mit der EU groß wurden, sind deren Existenz und die damit verbundenen Vorzüge geradezu naturgegeben. So stellt auch Esther (26) fest: „Früher habe ich nicht wirklich viel über die EU nachgedacht und ihr Bestehen als selbstverständlich hingenommen, weil man es einfach nicht anders kannte.“

Insbesondere wegen des bevorstehenden Brexits hinterfrage sie diese Einstellung wie viele andere junge Menschen. „Die Errungenschaften der EU müssen der Polemik der Nationalisten entgegengehalten werden“, fordert Esther.

Der Rechtsruck, der sich in immer mehr europäischen Nationalstaaten bemerkbar macht, scheint junge Menschen aufzurütteln. „Die Freiheiten und Möglichkeiten, die uns dieser Zusammenhalt der EU bietet, sehe ich mittlerweile nicht mehr als selbstverständlich an – dafür einzustehen aber durchaus“, sagt Josephine Symonds (24).

 Josephine  Symonds.

Josephine Symonds.

Foto: Isabell Schirra
   Verena Jochum.   Foto: Isabell Schirra

Verena Jochum. Foto: Isabell Schirra

 Sinah Müller.

Sinah Müller.

Foto: Christian Hell

Dann gibt es noch jene, die mit der EU kaum noch etwas verbinden, denen sie irgendwie entglitten ist. So wie Sinah Müller (29). Während sie sich früher intensiv mit Gesellschaft und Politik auseinandersetzte, habe sie heute das Gefühl, den Anschluss verloren zu haben. „Das ist vielleicht auch schon eine Diagnose in sich“, sagt sie. Zwar denke sie beim Thema EU auch an Freiheit, offene Grenzen und die Währungsunion, aber das Poltische sei einfach zu abstrakt geworden. „Die Demokratie in Europa ist eine Demokratie, die keiner mehr versteht.“ Diese Politikverdrossenheit bedeute allerdings nicht, dass sie europamüde sei, vielmehr sei sie frustriert. Einmal war sie „sogar richtig traurig über Europa“, wie sie sagt. Nämlich wegen der Flüchtlingskrise und des fehlenden gesamteuropäischen Konsenses darüber. Sinahs Fazit: „Da habe ich mich zum ersten Mal gefragt, ob es überhaupt eine europäische Identität gibt – nämlich offensichtlich nicht.“

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