Tag des Todes vor Fest des Lebens

Sulzbach · "Einer meiner Schüler an der Berufsschule steht vor mir: Er werde heute nicht gut mitarbeiten können, sagt er. Ein Mitschüler habe einen Unfall gehabt, nun ist er tot. Schock und Traurigkeit stehen dem Schüler ins Gesicht geschrieben.

Später kommt ein anderer Schüler an meinen Tisch. Er ist aufgewühlt. Das Unterrichtsgespräch über radikalen Islamismus hat ihn sichtlich mitgenommen. Dann erzählt er von seinem Einsatz als Bundeswehrsoldat in Afghanistan, damals, vor seiner Berufsausbildung. Er war so manches Mal in Lebensgefahr gewesen, hatte Todesangst gespürt - und all das nicht vergessen. Kurz darauf erreicht mich ein Anruf meiner Familie: Ein Angehöriger hatte einen Notfall, fast wäre er gestorben.

Am Ende dieses Tages blieb mir das Entsetzen, wie schnell das Leben zu Ende sein kann. Wir denken ja meist nicht daran. Aber dann tritt der Tod so schnell und plötzlich in unser Leben, überrascht uns, schockiert, macht Angst. Und oft genug bleibt uns am Ende eines Tages nichts anderes mehr übrig, als über den Tod zu klagen und zu trauern.

Darum gibt es den Karfreitag. Er hat seinen Namen vom althochdeutschen Wort "kara", das ‚Klage‘ bedeutet oder ‚Trauer‘. Weil er ein Tag des Sterbens und des Todes ist, der Klage und der Trauer. Aber wir erinnern uns am Karfreitag nicht nur an das Leiden und Sterben Jesu. Wir erinnern uns am Karfreitag daran, dass der Tod uns nahe ist und mittendrin in unserem Alltag.

Karfreitag ist aber nicht nur irgendein Tag der Klage und Trauer. Karfreitag ist der Freitag vor Ostern . Es ist der Tag des Todes vor dem Fest des Lebens, der Schrecken des Sterbens vor der Hoffnung auf Auferstehung. Beides gehört zusammen, ohne Ostern wäre Karfreitag nichts anderes, als ein Freitag wie jeder andere.

Gut, dass es nicht so ist! Weil ich das eine nicht ohne das andere ertragen könnte. Weil es für uns manchmal so viele Kar-Freitage, so viele Trauertage zu geben scheint, und so wenige Tage der Hoffnung. Aber dazu gibt es den Ostermorgen! Er macht den Karfreitag erst erträglich. Der Ostermorgen erinnert uns daran, dass aus dem Schrecken des Sterbens die Hoffnung auf neues Leben entstehen kann. Manchmal kommt uns der Tod schrecklich nahe, im Alltag, im Berufsleben, in unseren Familien. Es kann so schnell gehen! Gut, dass wir durch Karfreitag wissen, dass bald Ostern ist!"

Dorothee Lais (43) ist seit 2013 evangelische Pfarrerin im Schuldienst am Berufsbildungszentrum Sulzbach/Saar

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