Wilde Müllkippe bei Schnappach Gigantische Müllhalde aus den 1970ern: Wenn plötzlich Abfall aus dem Boden wächst

Sulzbach · Die Müllkippe am Unteren Geißberg bei Schnappach reicht bis zu zehn Meter tief und ist mit geschätzten 730 000 Kubikmetern Material gefüllt.

 Auf 730 000 Kubikmeter Material schätzt das Umweltministerium den Müllberg, der sich neben dem Karl-May-Wanderweg auftürmt.

Auf 730 000 Kubikmeter Material schätzt das Umweltministerium den Müllberg, der sich neben dem Karl-May-Wanderweg auftürmt.

Foto: Jörg Wilhelm

Der Mensch erntet, was er einst gesät hat. Und er erbt den Nachlass seiner Vorfahren. Meist ist beides von hohem Wert. Manchmal aber auch eine hohe Last. Die Erfahrung mit der zweiten Variante müssen gerade Menschen  im Sulzbacher Stadtteil Schnappach machen. Dort, am Unteren Geißberg unweit des Karl-May-Wanderwegs, wächst Müll aus längst vergangenen Tagen aus dem Waldboden.

„Gesät“ wurde in den Jahren zwischen 1953 und 1973. Damals wurde das Areal als Müllhalde genutzt und nach der Aufgabe nur notdürftig mit einer Schicht aus Bauschutt abgedeckt. Der gebürtige Sulzbacher Jörg Wilhelm war es, der zuerst auf das Problem aufmerksam machte. Die Fraktion der Grünen brachte es in den Rat ein. Wie  Wilhelm haben auch andere Fragen und Befürchtungen. Warum tritt der Müllnachlass erst jetzt zutage? Was genau wurde dort abgeladen? Und insbesondere: Handelt es sich bei den Abfällen auch um für die Umwelt und die Menschen gefährliche Stoffe, die in naher Zukunft die Bäche Schnappbach und Wiesbach und damit im weiteren Verlauf das Grundwasser belasten können?

Die Stadt Sulzbach nahm sich des Themas an und lud für den vergangenen Dienstag im Rahmen einer Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Verkehr zu einer Informationsrunde ein. Als Fachleute und Vortragende dabei: Dr. Joachim Sartorius, der Leiter des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA), und Uwe Tobä, Leiter des Geschäftsbereiches 3 für Liegenschaftsangelegenheiten beim Saar-Forst-Landesbetrieb.  Beide hatten einiges zu berichten. Sowohl aus der Vergangenheit der ehemaligen Müllkippe, dem Umgang mit ihr in den Jahren zwischen der Schließung und der ersten behördlichen Erfassung in den späten 1980er-Jahren bis hin zur Situation, wie sie sich jetzt darstellt.

„Bevor über mögliche Maßnahmen gesprochen werden kann, muss allen klar sein, um welche Mengen an Müll es sich bei dieser Deponie handelt, und außerdem darüber, wie in der damaligen Zeit mit dem Problem überhaupt umgegangen wurde“, eröffnete Sartorius sein Referat. „Solche Müllhalden wie die am Unteren Geißberg sind in der Vergangenheit einfach so entstanden. Da war eben eine Mulde, und da ist jeder hin und hat seinen Müll reingeworfen. Da gab es keine Richtlinien, keine Gesetze und keine Erfassungen vonseiten der Behörden. Diese erfolgten erst zu Beginn der 1990er-Jahre“, so Sartorius.

Auch im Fall der Müllkippe am Unteren Geißberg, die nur eine unter knapp 2000 anderen im Saarland ist. Die Schnappacher Müllkippe ist allerdings eine der größeren ihrer Art. Nach den ersten Vermessungen reicht sie bis zu zehn Meter tief und ist mit geschätzten 730 000 Kubikmetern Material gefüllt. Das gesamte Areal erstreckt sich über etwa 7,3 Hektar. „Durch die Trockenheit der letzten Jahre und durch ständige Erosion tritt der Müll nunmehr seit einigen Jahren an die Oberfläche“, erklärte Sartorius.  Was da allerdings genau in noch tieferen Schichten unter der Erde schlummert, sei nicht klar.

Inwieweit mögliche Gefahrenstoffe die Umwelt gefährden könnten ebenso wenig. Sartorius beantwortete diese Frage mit dem Verweis auf erste Untersuchungen ähnlicher Müllkippen und auf die inzwischen gesammelten Erfahrungswerte, die seine Behörde zusammengetragen hat. „Erste Proben, die noch im letzten Jahrtausend entnommen wurden, ergaben keine Hinweise auf relevante Giftstoffe“, sagte Sartorius. „Neue Proben konnten bis zuletzt nicht vorgenommen werden, da der Schnappbach kein Wasser führt. Erst wenn das der Fall ist, dann können wir das erneut beurteilen. Nach unseren Erfahrungen dürfte es sich jedoch ausschließlich um üblichen Hausmüll handeln.“

Wobei sich auch darunter mithin problematische Abfälle wie etwa Plastiktüten, leere Behälter für Chemikalien und Öle, Altreifen und Reste von Medikamenten befinden, wie Wanderer zuletzt noch berichteten.

Sowohl Joachim Sartorius als auch Uwe Tobä vom Saarforst Landesbetrieb wiesen darauf hin, dass eine komplette Abtragung der Halde nicht machbar sei. „Eine solche Forderung ist unrealistisch“, meinte Tobä. „Selbst wenn wir im Sickerwasser gefährliche Stoffe nachweisen würden, es wäre für uns nicht möglich, die komplette Halde abzutragen. Wir geben bereits jede Menge Geld dafür aus, die sichtbaren Müllaufkommen abzutragen. Es ist damit auch immer eine Frage des Verhältnisses zwischen Kosten und Nutzen, in diesem Fall aber noch mehr eine Frage der Machbarkeit.“

Die Rechnung, die er aufmachte, ließ die Ratsmitglieder derweil etwas ratlos und kopfschüttelnd zurück. „Um alles abzutragen, und wir sprechen wie gesagt über 730 000 Kubikmeter, müssten sechs Jahre lang ununterbrochen Sattelschlepper hin und her fahren.“ Dennoch zeigten sich die Ratsmitglieder überwiegend durch die Ausführungen der Fachleute beruhigt. Bis auf Barbara Klein-Braun von der Fraktion der Grünen, die ihr Unverständnis auch zum Ausdruck brachte. „Dieser Vortrag beruhigt mich nicht wirklich. Tatsache ist doch, dass da ein Umweltschaden entsteht durch den Abfall, der da nicht hingehört“, so Klein-Braun. „Die Dinge müssen doch beim Namen genannt werden. Glas, Plastik, alte Fässer, Öle und so weiter. Das ist doch nicht nichts.  Ich bin empört und empfinde es als Skandal, dass es überhaupt so weit gekommen ist.“

Darauf konnte Sartorius nur erwidern: „Wir können nur nach Gesetz handeln. Das bedeutet, dass zunächst eine konkrete Gefahr benannt werden muss, damit unsere Behörde überhaupt tätig werden kann. Natürlich ist das ein Umweltschaden und niemand findet das gut. Auch wir nicht. Aber wir haben diese Situation schließlich nicht herbeigeführt. Damals war diese Art der Entsorgung nicht verboten.“

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