Lebendiger Adventskalender „Plätzchen heißen bei uns Petites Fours“

Sulzbach · Türchen Nummer 20 des „Lebendigen Adventskalenders“ öffnete sich im Hinterhof bei der Caritas-Gemeinwesenarbeit.

 Ruba Fahed und Nicole Suchel (von rechts) lesen die Geschichte „Weihnachten in der Speisekammer“.

Ruba Fahed und Nicole Suchel (von rechts) lesen die Geschichte „Weihnachten in der Speisekammer“.

Foto: Thomas Seeber

„Unter der Türschwelle war ein kleines Loch. Dahinter saß die Maus Kiek und wartete.“ Knapp 50 Kinder und Erwachsene stehen auf der nassen Wiese. Wahrlich kein besonders heimeliger Ort: Hinterhofatmosphäre, Dunkelheit, dazu das miese Wetter. Aber das spielt gerade keine Rolle, Freude ist in viele Gesichter gemalt. Manche der Zuhörer halten Teelichter in den Händen oder leuchten mit dem Handy, damit Nicola Suchel und Ruba Fahed die Geschichte „Weihnachten in der Speisekammer“ trotz Dunkelheit vorlesen können – im Wechsel auf Deutsch und auf Arabisch.

So bekannt und routiniert die Aktion „Lebendiger Adventskalender“ ist, so ungewöhnlich und neu ist diese „Station“. Muslime kennen keine Kalender mit 24 Türchen, wie auch viel andere der hiesigen Traditionen der Vorweihnachtszeit für sie fremd und seltsam anmuten dürften.

Genau dort setzt Rana Baraque an. Die syrische Berufsschullehrerin lebt seit 17 Jahren im Saarland, ihre drei Kinder (16, 14 und 7) wuchsen mit den christlichen Festen auf und identifizieren sich damit. „Schlimm ist das nicht“, lacht Rana, im Gegenteil: „Das ist ihr gutes Recht. Sie sollen alles kennen lernen“ – und selbst entscheiden, was sie davon leben möchten. Diese Haltung gibt Rana eins zu eins an die Frauen der von ihr geleiteten Gruppe „Mama lernt deutsch“ weiter, die seit Herbst 2016 läuft (wir berichteten).

Bis zu 20 Frauen aus acht Nationen mit ihren Kindern kommen täglich in die Räume der Caritas Gemeinwesenarbeit (GWA) Sulzbach, um gemeinsam zu essen und die Sprache des Gastlandes zu lernen. „Die Frauen sind unglaublich motiviert“, betont Sozialpädagogin Stefanie Schmidt, GWA-Mitarbeiterin und „Sozialraum-Agentin“. „Sie können schon richtig gut Deutsch, teilweise viel, viel besser als ihre Männer.“

Für die zwischen 24 und 35 Jahre alten Mütter ist das hier eine Oase, man nehme nur Raginder aus Indien. Die junge Frau kocht jeden Morgen daheim. Und wenn ihr Mann dann verwundert sagt, „das brauchen wir nicht“, meint sie: „Das ist für meine andere Familie.“ Und dann geht sie einfach, erzählt Stefanie Schmidt mit einem Lachen. Also nichts von wegen Patriarchat und Unterdrückung, intelligente, selbstbewusste, handlungsfreudige Frauen sind das in diesem Kurs. Die gern auch etwas zurückgeben möchten: „Eine der jüngeren Frauen wollte Heiligabend gern in ein Altersheim gehen, Menschen besuchen und ihnen Selbstgekochtes mitbringen“, verrät Rana Baraque. Ihre Kursteilnehmerinnen setzen viel daran, sich zu integrieren.

Und damit das noch besser funktioniert, erklärt sie ihnen, was es mit St. Martin und dem Teilen auf sich hat oder wann die Stiefel für den Nikolaus rausgestellt werden. „Sie müssen das lernen, das ist wichtig für die Kinder“, die ja irgendwie mitreden wollen im Kindergarten und der Schule. In Syrien selbst ist Weihachten im Übrigen nicht unbekannt. Es gibt sogar die beiden Feiertage am 25. und 26. Dezember, „auch Ostern“, teilt die Lehrerin mit. Baraques selbst feiern sehr saarländisch: „Unsere adoptierte Oma kommt und die Kinder spielen auf ihren Instrumenten“, natürlich christliche Weihnachtslieder wie „Alle Jahre wieder“ oder „Oh du fröhliche“.

Für den „Lebendigen Adventskalender“ hatten die Mamas eigens Plätzchen gebacken, arabische, aber auch Zimtwaffeln und Vanillekipferl. „Bei uns heißt solches Gebäck Petits Fours“, erklärt Rana. Das hat mit den französischen Einflüssen auf die orientalische Küche zu tun. Die Vorlesegeschichte nahm übrigens ein bittersüßes Ende: Hatten die Mäusekinder doch zu viel vom Pfefferkuchen genascht – „und ihr wisst, liebe Kinder, das tut nicht gut!“

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