Immer wieder Brücken bauen

Sulzbach · Über 2100 Kilometer Autobahn liegen zwischen Sulzbach im Saarland und Ravanusa auf Sizilien. Und doch merkte man beim Festakt anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Freundschaftsvertrages und des 15. Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen beiden Kommunen am Freitag in der Sulzbacher Aula, dass es eine herzliche, ja fast liebevolle Verbindung ist. Denn viele Männer und Frauen der „ersten Stunde“ waren gekommen, um die Partnerschaft zu feiern.

 Die Gastgeber mit ihren Gästen aus Ravanusa in der Aula. Fotos: Thomas Seeber

Die Gastgeber mit ihren Gästen aus Ravanusa in der Aula. Fotos: Thomas Seeber

 Venera Lentini und Concetta Di Dio Parlapoco betrachten die Fotos der Ausstellung.

Venera Lentini und Concetta Di Dio Parlapoco betrachten die Fotos der Ausstellung.

"Es ist für mich wie ein Traum, dieses Jubiläum feiern zu dürfen", sagte Calogero Di Pasquali, den in Sulzbach alle nur Lilo nennen und der Anfang der 1990er Jahre die Idee zu dieser Partnerschaft auf den Weg gebracht hat, "wir haben viel geleistet, und ich bin sehr froh, viele Weggefährten heute zu treffen."

Weggefährten wie Elisabeth Altmeyer. Sie hat für ihre Verdienste um die deutsch-italienische Freundschaft mittlerweile das Bundesverdienstkreuz erhalten und betätigte sich auch am Freitag trotz ihrer mehr als 80 Jahre als charmante Dolmetscherin.

Es gibt Zeitzeugen, wie den ehemaligen Sulzbacher Bürgermeister Hans Werner Zimmer, den sein Nachfolger, Michael Adam , in seiner Festansprache als "Motor der Freundschaft" bezeichnete. "Im April 2013 hatte ich zum ersten Mal Gelegenheit, Sizilien und insbesondere unsere Partnerstadt Ravanusa zu besuchen", berichtete Adam vom Erlebnis eines "wunderschönen Landes, das ein faszinierendes kulturelles Erbe aufzuweisen hat. Ich habe offene und sehr gastfreundliche Menschen getroffen. Ich kann jetzt verstehen, dass das Heimweh bei vielen, die hier leben, groß ist." Man brauche Menschen, die für diese Partnerschaft "brennen und immer wieder Brücken bauen." Einer davon ist sicher Hans Werner Zimmer, der in seiner launigen Festrede berichtete, dass er mittlerweile sechs Bürgermeister und zwei Kommissare - Verwalter, wenn es mal keinen Bürgermeister gab - aus Ravanusa kennengelernt habe. "Dem Sitzungspräsidenten des dortigen Stadtrates haben wir einmal eine Uhr in einem Stück Kohle geschenkt. Er hat sich sehr gefreut und sich gleichzeitig über den deutschen Pünktlichkeitswahn amüsiert", erzählte Zimmer eine Anekdote, "dort beginnen Sitzungen, wenn genügend Leute da sind. Und glauben Sie mir, die Entscheidungen sind nicht schlechter als bei uns auch."

Bei aller Freude über die Partnerschaft ließ Elfriede Nikodemus, Vorsitzende des Sizilianischen Freundeskreises, auch aktuelle und brisante Themen wie Einwanderung und Willkommenskultur nicht außen vor. Sie betonte auch die heute noch bestehende wirtschaftliche Bedeutung solcher Partnerschaften für die italienische Seite angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent.

Die "italienische Leichtigkeit" brachte Sänger Vincenzo Di Rosa zurück, mit seiner Stimme sanft wie das zarte Mandelgebäck und gleichzeitig kräftig wie der dazu gereichte sizilianische Rotwein im Anschluss der Gala-Veranstaltung. "Ich habe gesehen, wie meine Landsleute hier leben und wie sie die Sehnsucht nach unserer schönen Insel bewahrt haben. Sie sind der Heimat manchmal näher als wir Sizilianer selbst", berichtete Ravanusas Bürgermeister Carmelo D'Angelo von seinen Erkenntnissen, "angesichts der Probleme in Europa ist es wichtig, dass sich Menschen treffen, Freundschaften pflegen, voneinander lernen. Dieser Austausch ist die Basis für die Lösung vieler Probleme. Er muss auch für und mit den kommenden Generationen fortgeführt werden."

Deshalb wurde auch der Austausch eines Gymnasiums in Ravanusa mit dem Sulzbacher Theodor-Heuss-Gymnasium angeregt. Dem begeisterten und mitreißenden Appell D'Angelos war dann ohnehin nichts mehr hinzuzufügen: "Es lebe Sulzbach . Es lebe Ravanusa. Es lebe die deutsch-italienische Freundschaft." Dort Tempel, Felder, bunte Gassen mit tanzenden, lebensfrohen Menschen. Hier Massenschlafstätten und Gemeinschaftsküchen mit von der harten Arbeit gezeichneten Männern, die aus Sorge um ihre Familien fern der Heimat schwer schufteten. "Ich bin stolz, dass meine italienischen Landsleute beim Wiederaufbau Deutschlands mitgearbeitet haben", sagte Carmelo D'Angelo, der Bürgermeister der sizilianischen Stadt Ravanusa, bei der Ausstellungseröffnung in der Sulzbacher Aula.

D'Angelo weilte aus Anlass der Feiern zum 20. Jahrestag des Freundschaftsvertrages und des 15. Jahrestages der Städtepartnerschaft zwischen seiner Heimatstadt und der Stadt Sulzbach im Saarland. Rund 100 Gäste waren zur Ausstellungseröffnung gekommen. Saarländer und Saarländerinnen zum großen Teil mit italienischen Wurzeln. Viele Sulzbacher, die Ravanusa schon besucht haben und etliche Zeitzeugen, wie Raffaele Marcello. "Ich bin 1960 aus Kalabrien ins Saarland gekommen", erzählt der heute 76-Jährige, "ich habe in Italien den Beruf des Schneiders gelernt. Hier habe ich zuerst in einigen Bekleidungsfirmen gearbeitet, später konnte ich mich selbstständig machen." Er habe "Glück gehabt", denn er lebte nicht in den großen Wohnheimen. Mit einem Freund war er bei einer saarländischen Familie untergekommen. "Die haben sogar meine Kleider gewaschen, nur kochen musste ich selbst", erinnert sich Marcello und berichtet von der ,Willkommenskultur' der damaligen Zeit. "Auch da hatte ich Glück. Nur einmal als wir zu einer Tanzveranstaltung nach Völklingen wollten, stand da ein Schild: Für Italiener verboten." Seine Frau, eine Sizilianerin, hat er in Saarbrücken kennengelernt. Später saß er viele Jahre in seiner neuen Heimatgemeinde Quierschied im Gemeinderat. Raffaele Marcello, seine Kinder und Enkel sind mittlerweile voll integriert. "Das Saarland ist meine zweite Heimat", sagt der Rentner, "ich liebe Quierschied. Aber daheim, das ist noch immer Italien."

Raffaele Marcello ist stolz auf seine Lebensleistung, auch wenn er seine Kinder wegen der vielen Arbeit kaum habe aufwachsen sehen. Das sei bei den Enkeln besser gelungen. "Ich habe diesem Land meine Jugend gegeben", sagt Raffaele Marcello ohne Wehmut, vielmehr mit Stolz und Freude in der Stimme, "das ist nicht schlimm, denn ich habe unglaublich viel von seinen Menschen zurückbekommen."

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