Heitere Anekdoten und packende Erlebnisse

Sulzbach · Unterwegs in Polen: Hans Bollinger bringt die Menschen im Nachbarland seinen Zuhörern näher.

 Hans Bollinger. Foto: Diandra Dincher

Hans Bollinger. Foto: Diandra Dincher

Foto: Diandra Dincher

"Die Lesung und die musikalischen Beiträge waren fantastisch", fasste am Ende Albrecht Wack sein Lob in packende Worte. "Das war typisch Hans", fügte er hinzu. Wack war einer der Zuhörer, die am Dienstagabend im Salzbrunnenhaus waren. Bei "Hans" handelt es sich um Hans Bollinger, der sein Buch "Unterwegs in Polen" vorstellte. Die beiden kennen sich noch aus gemeinsamen Tagen an der Gesamtschule Gersheim, an der sie unterrichteten.

Neben Wack fand sich leider nur noch ein knappes Dutzend an Zuhörern bei der Veranstaltung der Volkshochschule ein. Dadurch ließ sich der Vortragende jedoch nicht entmutigen und trug gutgelaunt und mitreißend vor. Gemäß dem Motto des Buches - "Begegnungen mit Menschen, ihrer Geschichte und Heimat" ist der Untertitel - gab er heitere Anekdoten und ernste Erzählungen zum Besten und auch einen Einblick in seine Vita. 1976 reiste er zum ersten Mal "in das Land, das mein Leben verändern wird".

Der Grund für die erste Reise ist ein sehr schöner. Er möchte im Dezember seine Freundin heiraten, die er erst im Sommer kennengelernt hat. Sie ist Polin, die Tochter von Eltern, die in den 1950er Jahren als Aussiedler nach Deutschland kommen. Seinerzeit eine wahrhafte Grenz-Überschreitung war die Reise zum europäischen Nachbarn. Bollinger erzählt davon, wie er ein Transitvisum in Köln besorgen musste, erinnert sich an die spärlich beleuchteten Grenzstationen in der Tschechoslowakei und an selbstbewusste Frauen, die dort als Zöllnerinnen arbeiteten.

Er trifft in den Folgejahren auf Kabarettisten in Krakau, die völlig frei ihre ironische Kritik am Regime vortragen und auf Studenten, Priester, Schüler und Intellektuelle, die in freien Reden das System anprangern. Obwohl die polnische Bevölkerung durch die Verbrechen des Nazi-Regimes geschändet und gedemütigt wurde, sei ihm nie ein Hass auf die Deutschen entgegengeschlagen. Er erzählt von einem idyllischen Picknick mit seiner Frau an der slowakischen Grenze. Bei der anschließenden Wanderung erreichen sie mitten im Wald eine Gedenkstätte für ermordete Juden. 1250 Menschen starben dort an einem Tag im Juli des Jahres 1942. "Wir verweilen lange noch an diesem Ort und treten den Heimweg an, ohne ein Wort zu reden", erzählt Hans Bollinger.

Thematisch leichter wird es, als er von einem Ausflug nach Lubowitz erzählt, der Geburtsstadt des Romantikers Joseph von Eichendorff. Sein Bruder, der bei dieser Reise mit ihm unterwegs war, schenkt ihm zum nächsten Geburtstag Eicheln, die er unbemerkt vom Boden unter dicken Eichen auflas - vor der Ruine des ehemaligen Schlosses des Dichters. Diese pflanzt Bollinger zu Hause ein. "Jetzt steht also eine etwa ein Meter hohe Eiche in unserem Garten in Gersheim", erzählt er schmunzelnd und stolz von dieser ewigen Erinnerung.

Zwischenzeitlich greift der Vortragende zu seiner Akustik-Gitarre und spielt passende Musik, vertonte Gedichte von Joseph von Eichendorff zum Beispiel. Das bekannte "In einem kühlen Grunde" oder das weniger populäre "Wandern lieb ich für mein Leben". Auch die musikalisch verarbeiteten Verbrechen im Dritten Reich kommen im jiddischen Lied "Mir lebn ejbig" zur Sprache. Mit der typischen Mischung aus mitreißender Melodie und finsterem Humor heißt es da "Wir leben ewig".

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