Festakt in der Aula Ein „Leuchtturm“ in der Jugendarbeit

Sulzbach · Mit ambulanten sozialpädagogischen Angeboten hilft Chance seit 1987 straffällig gewordenen jungen Menschen, sich zu rehabilitieren.

 Die musikalische Unterhaltung übernahm eine Jugendgruppe der Musikschule St. Ingbert.

Die musikalische Unterhaltung übernahm eine Jugendgruppe der Musikschule St. Ingbert.

Foto: Iris Maria Maurer

Nur mal ’ne Kleinigkeit mitgehen lassen. So banal fängt es oft an. Mit 14 oder 15 probiert man den ersten Einbruch. Statt zu lernen, wird mit der Clique abgehangen, gesoffen, Pillen eingeworfen. Eins kommt zum anderen: kein Schulabschluss – keine Ausbildung, dafür die falschen Freunde, ständig pleite, null Perspektive. Der Frust staut sich auf, und irgendwann schlägt man halt zu. So richtig. Ein Fall für die Justiz.

Soweit einer der Standardverläufe, bei dem sich nun, im besten Falle, das Blatt wendet. Denn jetzt kommt Chance ins Spiel, der Verein zur Förderung handlungs- und erlebnisorientierter Jugendarbeit und die Einrichtung „Chance - ambulante sozialpädagogische Angebote für straffällig gewordene junge Menschen“, die jetzt in der Aula ihren 30. Geburtstag mit rund 100 geladenen Gästen feierten. Seit 1987 kümmern sich Chance-Mitarbeiter um straffällig gewordene und gefährdete 14- bis 21-Jährige.

Diese können zum einen ihre „Sozialstunden“ pädagogisch begleitet in der Holzwerkstatt ableisten. Stellt der Richter einen Hilfebedarf bei der Bewältigung des Alltags fest, kann der junge Mensch auch zu sogenannten Betreuungsweisungen verpflichtet werden.

Hier bietet Chance  unter anderem die Möglichkeit des Kanu- und Klettersports sowie Geländetraining mit Fahrrad und Motorrad an. Was nach hohem Spaßfaktor klingt, aber viel tiefer zielt: „Es geht um Verselbständigung, Entwicklung von Perspektiven in Schule, Ausbildung und Beschäftigung, zudem um soziale Integration, Genussmittelkompetenz und Legalverhalten“, zählte Claus Richter, Leiter der Einrichtung, auf.

„In diesen 30 Jahren haben wir uns um 4500 junge Menschen gekümmert, denen ein strukturiertes und zufriedenstellendes Leben bislang aus verschiedenen Gründen verwehrt blieb.“ Der Name seiner Einrichtung „Chance“ sei dabei wörtlich zu nehmen: „Viele unserer Besucher nutzten ihren Aufenthalt bei uns dafür, genau diese zu ergreifen“, betonte Richter. „Soziale Teilhabe und Integration führen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu einem zufriedenstellenden und straffreien Leben.“

Generell wünsche er sich mehr Gelassenheit und Augenmaß in der Beurteilung seiner Klientel: „Je älter man wird, desto mehr tendiert man dazu, seine eigenen Jugendsünden zu verharmlosen und zu vergessen.“ Als durchaus aufschlussreich und nachahmenswert erwies sich diesbezüglich eine Mitmachaktion, bei der jeder Gast einen Fragebogen zu Regelverstößen ausfüllen konnte.

70 Personen nahmen teil und siehe da: Fast jeder hat sich mal etwas zuschulden kommen lassen in jungen Jahren, angekreuzt wurden vor allem Klassiker wie Eigentumsdelikte und leichte Körperverletzung oder Fahren unter Alkohol. Das, so Richter, sollte man im Hinterkopf behalten, bevor man anfängt, zu stigmatisieren – genau wie die Ursachen für Fehlverhalten: „Wer bei uns aufschlägt, dessen Jugend war nicht in Ordnung. Ein bestimmtes Milieu birgt schon das Risiko des Scheiterns.“

Weshalb sie den Blick nicht in erster Linie auf die Tat, „sondern auf den Menschen und dessen individuelle Lebenslage“ richten. Vor diesem Hintergrund hält der Leiter der Ambulanten Straffälligenhilfe die immer wiederkehrenden Debatten um die Verschärfung des Jugendstrafrechts und den Einsatz der „harten Hand“ inhaltlich für gegenstandslos. „Die Instrumente des Jugendgerichtsgesetzes in Verbindung mit dem SGB VIII sind bei adäquater Ausstattung der Einrichtungen und Dienste völlig ausreichend.“

Wie Michael Hamm, Geschäftsführer der GPS, in seinem Grußwort ausführte, besitzt die pädagogische Arbeit mit Jugendlichen, wie sie Chance vorbildlich leiste, für die Gesellschaft eine enorme Bedeutung.

„Diese Menschen müssen unterstützt und gefördert werden.“ Sonst gelangten sie „in eine Spirale aus Armut oder Illegalität“, die meist ein Leben lang nicht mehr überwunden wird. Umso unverständlicher sei es, dass die Existenz des Vereins in den drei Jahrzehnten „regelmäßig auf der Kippe“ gestanden habe. Für die Zukunft wünscht Michael Hamm Chance eine „auf Dauer angelegte“ Finanzierung, „Stabilität und Verlässlichkeit“. Alles andere sei „unwürdig“ und letztlich ein „Armutszeugnis“.

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