Die Natur-Ersetzer

Sulzbach · Wer irgendwo baut und Natur kaputt macht, muss an anderer Stelle einen Ausgleich leisten. Weil er es selbst vermutlich nicht kann, beauftragt er einen Dienstleister wie die Landschaftsagentur Plus, die von der Grundstücksbeschaffung bis zur nachträglichen Betreuung alles in die Hand nimmt.

 Totholz und Steine: Die Ingenieure der Landschaftsagentur Plus wollen hier am Fuß der Berghalde Duhamel zwischen Hülzweiler und Fraulautern eine neue Naturlandschaft entstehen lassen. Mit ihrer Arbeit schaffen sie Ersatz-Natur. Fotos: Landschaftsagentur Plus/ B&B

Totholz und Steine: Die Ingenieure der Landschaftsagentur Plus wollen hier am Fuß der Berghalde Duhamel zwischen Hülzweiler und Fraulautern eine neue Naturlandschaft entstehen lassen. Mit ihrer Arbeit schaffen sie Ersatz-Natur. Fotos: Landschaftsagentur Plus/ B&B

 Martin Strauß

Martin Strauß

. Ein bizarres Landschaftsbild erstaunt das Auge an der Landstraße zwischen Hülzweiler und Fraulautern, am Fuß der Bergehalde Duhamel: Aus blanker Erde und lehmigem Boden ragen verstreute Haufen von Totholz und Wurzeln, von Steinen und Sand. Dem Auge des Laien kommt es zunächst so vor, als ob jemand ein Gelände gerodet und grob aufgeräumt hätte, ehe ein Raupenfahrzeug alles zu einem großen Berg zusammenschob. Oder wird hier ein Fantasy-Film gedreht? Zwischen den einzelnen Anhäufungen dann aber doch akkurat gepflanzte Hecken in Streifen und Gruppen, auch Ginster, frisch gesetzt. Man ahnt bald, hier ist von Menschenhand alles bewusst so und nicht anders arrangiert worden, eine neue Naturlandschaft, in der Eidechsen, Schmetterlinge, Insekten , Vögel und eine abwechslungsreiche Flora heimisch werden sollen. Es handelt sich um eine ausgeklügelte "Ersatzmaßnahme" für die Sanierung der benachbarten Bergehalde, die aus der Bergaufsicht entlassen und für Freizeitzwecke erschlossen wird. Schöpfer sind die Ingenieure und Ökologen der Landschaftsagentur Plus.

Das Unternehmen mit Sitz in Datteln bei Recklinghausen und Nebensitz in Sulzbach /Saar ist auf so genannte "Eingriffsregelung" spezialisiert. Das ist ein Werkzeug des Naturschutzrechtes, mit dem unerwünschte Folgen von Bauprojekten für Natur und Landschaft durch "Kompensationsmaßnahmen" vermieden oder ausgeglichen werden sollen. Beispiele: Wenn der Staat eine Straße baut, ein Handelskonzern einen Supermarkt und ein Investor einen Windpark, und wenn dafür Wald gerodet wird, dann ist dieser an anderer Stelle neu zu pflanzen. Die Aufgabe hat viele Facetten. So ist nicht nur die eigentliche Aufforstung handwerklich zu erbringen, zur Dienstleistung gehören auch die Planung, das juristische Wissen um die Anforderungen.

Darüber hinaus ist die Abwicklung und die Abstimmung mit allen Beteiligten zu bewältigen. Dafür nötig: das fachliche Know-how über geeignete Standorte und vor allem die Grundstücksbeschaffung. Am Ende ist die Gewähr zu erbringen, dass die Maßnahmen auch auf Dauer angelegt sind.

Die Landschaftsagentur Plus hat auch schon Bäche wie den Köllerbach in Völklingen oder den Mühl- und Klinkenbach in Schiffweiler renaturiert; zu den Kunden zählen Behörden für Straßen, für Wasser- und Schifffahrtsstraßen sowie Kiesgrubenbetreiber. Quasi Hand in Hand arbeitet der Dienstleister mit dem ehemaligen Bergbauunternehmen RAG als wichtigstem Kunden . Die Landschaftsagentur Plus ist eine Tochter der RAG Montan Immobilien und der HVG Grünflächenmanagement. Der eine bringt, salopp gesagt, die Grundstücke, der andere bearbeitet und bepflanzt sie. Wobei der eigene Grundstücksbesitz als großer Wettbewerbsvorteil gilt.

Einer von zwei Geschäftsführern (neben der Geografin Nicole Büsing) ist der Ingenieur Martin Strauß. Der 53-Jährige stammt aus Hülzweiler, ist als ehemaliger Fahrsteiger sozusagen "studierter Bergmann" und wie die meisten der 19 Mitarbeiter (davon neun in Sulzbach ) seit vielen Jahren mit "grünen Themen" betraut. Die Firma hat naheliegenderweise vor allem an Rhein und Ruhr zu tun, wo sie den Strukturwandel nach dem Ende des Bergbaus begleitet. Das Auftragsvolumen an der Saar wird mit fünf bis acht Millionen Euro pro Jahr veranschlagt, deutschlandweit auf 250 Millionen Euro. Strauß möchte aber nun "mit Augenmaß aus den Kernregionen wachsen" und Kunden in weiteren Bundesländern gewinnen. Im benachbarten Luxemburg, wo die Wirtschaft stark wächst und die Nachfrage nach Ausgleichsmaßnahmen entsprechend steigt, hat die Landschaftsagentur Plus bereits Fuß gefasst. Sie berät bei Waldumbau, Wiederherstellung von Heideflächen sowie der Renaturierung des Flusses Sauer und von Weinbergsbrachen.

Die eingangs geschilderte Ersatzmaßnahme an der Halde Duhamel gehört eher zu den kleinen bis mittleren Projekten. Man darf gespannt sein, ob die Eidechsen, Insekten und Vögel die neu gestaltete Fläche in Besitz nehmen. Eine Garantie dafür können auch die besten Ingenieure und Biologen nicht bieten. So wird etwa das teure Fledermaus-Ersatz-Quartier an der Autobahn 1 bei Dirmingen von den scheuen nachtaktiven Tieren nur zögerlich besiedelt. Was aber noch nichts über seine langfristige Qualität sagen mag. Zum Handwerkszeug der Eingriffsregler gehört auch die Geduld.

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