Der Mann, der zweimal Geburtstag hat

Sulzbach · Weil sie vor sechs Jahren den Bus verpasste, konnte eine junge Frau einem schwerkranken Menschen das größte Geschenk überhaupt machen: einen zweiten Geburtstag.

 Carolin Brück und Rafeal Herudek bei ihrem ersten Treffen vor der East side Gallery in Berlin. Foto: Brück

Carolin Brück und Rafeal Herudek bei ihrem ersten Treffen vor der East side Gallery in Berlin. Foto: Brück

Foto: Brück

Die Sulzbacherin Carolin Brück verpasste an einem Montag im Herbst 2009 an der Uni Saarbrücken ihren Bus. Um sich die Zeit des Wartens zu vertreiben, schaute sich die damals 19-Jährige nach einem sinnvollen "Lückenfüller" um. Ihr Blick fing eines der Plakate ein, die zu einer Typisierungsaktion der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) aufriefen. Sie ließ sich spontan typisieren und wurde nur knapp zwei Jahre später zur lebensrettenden Stammzellen-Spenderin. Um auch anderen Menschen diese Möglichkeit zu eröffnen, hat die 25-Jährige eine Typisierungsaktion organisiert. Sie findet am Sonntag von 10 bis 16 Uhr beim TZ Sulzbachtal statt.

Zwei Monate nach der Typisierung klingelte bei Carolin Brück das Telefon. Ihr wurde mitgeteilt, dass es einen passenden Empfänger gibt, der auf eine Stammzellen-Spende wartet. Die Frage, ob sie immer noch zum Spenden bereit sei, war im Nachhinein eine rhetorische: "Ein Rückzieher stand nie zur Debatte. Es war klar, dass es da jemanden gibt, der nur von mir Hilfe bekommen kann. Es ist selbstverständlich, dann auch zu helfen", sagt Brück und erklärt: "Man darf die Stammzellen-Spende nicht mit einer Knochenmarkspende verwechseln. Das passiert ohne schwerwiegende Eingriffe oder Narkose." Nach der Medikamentengabe zur Anreicherung von Stammzellen verspürte sie lediglich so etwas wie Muskelkater. Unangenehmer als das ist der Jurastudentin, selbst im Fokus zu stehen. Sie lobt lieber andere: "Ich war bei der DKMS in sehr guten Händen, fühlte mich immer super betreut und dafür bin ich dankbar."

Wenn Carolin Brück über ihr lebensrettendes Engagement spricht, klingt das sehr sachlich und nüchtern. Emotional wird sie nur, wenn sie liebevoll von "ihrem" Patienten Rafael Herudek erzählt. Weil beide Seiten ausdrücklich erklärten, sich kennenlernen zu wollen, kam es nach ersten Kontaktaufnahmen per E-Mail im Sommer 2014 zu einem ersten Aufeinandertreffen in Berlin. Familie Brück war zum eigentlichen Geburtstag Herudeks angereist und stand ihm erstmals persönlich gegenüber. "Es war gleich wie ein echtes Familientreffen und als würden wir uns schon ein Leben lang kennen", sagen Carolin Brück und Rafael Herudek unisono.

Dem 47-jährigen Berliner, der an einem sogenannten Non-Hodgkin-Lymphon litt, geht es wieder gut. Sein Körper akzeptierte die neuen Stammzellen recht schnell, und seit über zwei Jahren arbeitet er wieder Vollzeit. Der studierte Elektrotechniker, der Privatjets für die Lufthansa wartet, ist sogar zu Scherzen aufgelegt: Nach der Spende seiner "genetischen Zwillingsschwester" verspüre er trotz des weiblichen Einflusses "keinen Drang nach Stöckelschuhen." Die Wahrscheinlichkeit, einen Spender für ihn zu finden, war relativ gering. "Zu sagen, mir sei ein Stein vom Herzen gefallen, wäre viel zu klein. Hätte man niemanden gefunden, wäre ich jetzt tot", stellt er klar. "Wir feiern immer zwei Mal pro Jahr seinen Geburtstag. Einmal den richtigen und einmal seinen Neustart", erklärt Carolin Brück. Hätte sie damals ihren Bus verpasst, wäre es dazu wohl nie gekommen.

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In KürzeDie allgemeine DKMS-Typisierungsaktion findet am Sonntag auf dem Gelände des Tenniszentrums Sulzbachtals, Schnappacher Weg 57, in Sulzbach , statt. Während eines Herren-Oberligaspiels zwischen 10 Uhr und 16 Uhr haben Interessierte die Möglichkeit, sich nach einem einfachen Wangenschleimhaut-Abstrich als potenzieller Stammzellenspender in die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) aufnehmen zu lassen. zendkms.de

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