Serie Aus der Luft betrachtet Warum in Schnappach das Bier billiger war als in Sulzbach

Schnappach · In einer kleinen Serie zeigen wir die Gemeinden aus dem Verbreitungsgebiet von oben. Heute: Schnappach.

 Stadt Sulzbachh (Saar): Auf der Luftaufnahme ist rechts der Ortsteil Schnappach zu sehen.

Stadt Sulzbachh (Saar): Auf der Luftaufnahme ist rechts der Ortsteil Schnappach zu sehen.

Foto: BeckerBredel

Einst war der kleine Ort der östlichste Zipfel von St. Ingbert und als „Zipfel hinter`m Gipfel“ durch die Erhebung des Sechseichenkopfs vom Stadtgebiet St. Ingberts deutlich abgegrenzt. Vom Stadtzentrum St. Ingberts war Schnappach weiter weg als von Sulzbach, was man in der Gebiets- und Verwaltungsreform 1974 zum Anlass nahm, Schnappach der Stadt Sulzbach zuzuschlagen. Damit kam Schnappach außerdem vom Saar-Pfalz-Kreis in den Saarbrücker Regionalverband. Damit endete eine lange Tradition, denn im 18. Jahrhundert gehörte Schnappach zum Besitz der Grafschaft von der Leyen und wurde von Blieskastel aus verwaltet.

Anne Allenbach, die Sprecherin der Sulzbacher Stadtverwaltung, kann dazu Details nennen: „Besonders unter der Regentschaft Marianne von der Leyens (1745 bis 1804) wurden die Grundlagen für die intensive wirtschaftliche Nutzung gelegt.“ Marianne von der Leyen entzog die Steinkohlengruben dem privaten Kleinbetrieb und gründete Glashütten, Alaunwerke und Eisenschmelzen. Wie bei allen frühen Industriezweigen waren gerade die Standorte der Bergwerke hauptsächlich von der geologischen Beschaffenheit des Untergrunds abhängig. Schnappach profitierte diesbezüglich von einer zweifachen Randlage: Lag am Südrand des produktiven Karbons und damit der Steinkohleschichten und am nördlichen Rand der Buntsandsteinschichten, die noch das Karbon überlappen. „Die ersten Gruben befanden sich im oberen Rischbachtal in der Nähe des Sechseichenkopfes. Später grub man auch am südlichen Hang des Sulzbach- und Ruhbachtales, dort gab es mehr und mächtigere Kohlenflöze. Nachteil war hier die Entfernung zum Zentrum St. Ingbert und der Sechseichenrücken.“

Die Kohle musste über den Berg, das war für die Schnappacher Bergleute mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Die Von der Leyen verloren jedoch ihren Einfluss 1793, als die sogenannten Herrschaftsgruben in französisches Eigentum übergingen. Im zweiten Pariser Frieden von 1815 wurden Preußen und Bayern Teile des saarländischen Kohlenreviers zugesprochen. Allenbach hat ermittelt, dass es 1821 allein in Schnappach 17 aktive Stollen gegeben habe, allesamt durch obertägigen Bergbau erschlossen. „1834 wurde mit dem Tiefbau begonnen und ab der Jahrhundertmitte erleichterten Dampfmaschinen die Förderung der Kohle und die Entwässerung der Schächte. 1883 hatte die Grube in Schnappach eine Belegschaft von 691 Mann, die meisten von ihnen hatten sich in Schnappach auch fest angesiedelt.“ Wie überall im heutigen Saarland, so wurde auch in Schnappach diese Ansiedlung durch die Prämienhäuser gefördert. Die Zugehörigkeit zu Bayern sorgte in Schnappach für eine weitere Kuriosität. Der Zipfel am Rande Preußens bewahrte auch die bayerische Bierkultur. Bayern deklarierte Bier zum Grundnahrungsmittel, Preußen zum Genussmittel. Dadurch war Bier in Schnappach viel günstiger als in der preußischen Nachbarschaft. Allenbach: „Nach der Schicht ging man in die Kneipe, von denen es in Schnappach besonders viele gab. Von den 50 Häusern der Jahrhundertwende soll es in 15 Häusern Gastwirtschaften gegeben haben. Schnappach war damit eine Hochburg der Gastwirtschaften.“

Nach dem Ersten Weltkrieg intensivierte die französische Bergverwaltung den Kohlenabbau, allerdings auf Kosten der Sicherheit des Ortes. Man habe sich wenig bis keine Gedanken um Bergschäden gemacht und die Stollen ausgebeutet. „Von den 950 Einwohnern im Jahr 1927 wohnte etwas ein Viertel in durch Bergsenkungen gefährdeten und einsturzbedrohten Häusern. „Schnappach erhielt nun das zweifelhafte Prädikat eines versinkenden Dorfes“, sagt die Pressesprecherin, die eigens für unsere Serie auf Spurensuche gegangen war und dabei auf eine Art „Schnappacher Volksabstimmung“ gestoßen ist: „Nachdem sich 1946 die Schnappacher Bevölkerung zu 99 Prozent für den Verbleib bei St. Ingbert entscheiden hat und die Grube dem Bergwerk Maybach angeschlossen wurde, betrug die Zahl der Belegschaftsmitglieder 1951 wieder 1426 Mann. Ab 1953 beginnen nach und nach die Grubenstilllegungen, die Verlagerung der Betriebsangehörigen und damit eine Stagnation und sogar ein Rückgang der Einwohnerzahl. Zuvor verabschiedete sich neben dem Bergbau ein zweites Standbein in Schnappach: die Glasindustrie. Die Angliederung an Sulzbach folgte reinem Pragmatismus. Die Besonderheiten des Ortes hatten sich ohnehin aufgelöst. Heute haben die rund 500 Einwohner ihr Rathaus in Sulzbach.

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