Abitur während Corona in Sulzbach Ein ganz besonderer Jahrgang

Sulzbach · Online-Unterricht, keine Praktika, keine Exkursionen, keine Ausflüge – dieser Abiturjahrgang war auf Grund von Corona ein besonderer - auch für die Abgängerinnen und Abgänger in Sulzbach.

Abiturfeier am Theodor-Heuss-Gymnasium des Corona-Jahrgangs  in Sulzbach
Foto: KERSTIN KRAEMER

Der Einmarsch der Gladiatoren erfolgt paarweise; zwar mit Maske, aber in schicker Abendgarderobe - und zur dramatischen Musik von „The final Countdown“, dem 1986er Hit der Rockband Europe, der von Abschied und Aufbruch in neue Welten erzählt. So flanieren die Abiturientinnen und Abiturienten des Theodor Heuss Gymnasiums, kurz THG, stolz zur mit Luftballons dekorierten Bühne, während Verwandtschaft und Lehrkörper in der Aula applaudierend Spalier sitzen.

Auf Livemusik muss bei dieser Abifeier am Donnerstag aus pandemischen Gründen leider verzichtet werden, dafür spielen Lieder aus der Konserve als Kommentar eine umso größere Rolle, wie sich auch beim Soundtrack zur späteren Dia-Show zeigt: „Ich tanz aus der Reihe und nicht nach irgendeiner Pfeife“ beteuert hier etwa das Duo SDP, während Andreas Bourani „ein Hoch auf uns, auf dieses Leben, auf diesen Moment“ besingt. Schulleiter Klaus Damde ist froh, dass die Inzidenzzahlen gerade Pause machen und er seinem Corona-Abi-Jahrgang 2021 überhaupt ein kleines Fest zum angemessenen Abschluss der Gymnasialzeit ermöglichen kann. Dennoch: „Dieses Jahr hat uns nur noch stärker zusammengeschweißt“, triumphiert Damde. „Ich hoffe, dass wir gelernt haben, worauf es wirklich ankommt.“ Als Beispiele nennt er Zusammenhalt, Achtsamkeit, Selbstdisziplin und Selbstorganisation - Werte, die in den folgenden beiden Stunden wiederholt beschworen werden.

  Schüler Martin Speck

 Schüler Martin Speck

Foto: KERSTIN KRAEMER

„Mit dieser Botschaft sollten wir hier heute Abend auseinandergehen“, schließt Damde und übergibt das Moderations-Mikro an die beiden Abiturientinnen Zarah Michel und Ilayda Akgül. Nein, die Pandemie-bedingten Einschränkungen haben das letzte Schuljahr gewiss nicht versüßt, und natürlich haben sie auch den einen oder anderen Zukunftsplan durchkreuzt. Aber hier wird nicht lamentiert - es scheint, als ob Corona nur als Katalysator eine Rolle spiele, der die Ausbildung selbstständiger Persönlichkeiten mit Sinn für Kameradschaft und Realität befördert hat. Ein dickes Dankeschön haben die Absolventen auch für ihre Lehrerinnen und Lehrer übrig, für die Unterstützung während der gesamten Schulzeit, die hier in Worten und Bildern fröhlich Revue passiert. Es dominiert eine freudige Erwartung auf das, was noch kommt.

  Schülerin Greta Haxhiu

 Schülerin Greta Haxhiu

Foto: KERSTIN KRAEMER

Nur Schulelternsprecher Patric Cordier benennt konkret die Entbehrungen des letzten Schuljahres. „Wir verabschieden Euch heute in den Ernst des Lebens“, sagt er, doch eigentlich habe der bereits vor 16 Monaten begonnen: keine Praktika, keine Exkursionen, keine Ausflüge – eine Schulzeit weitab der Normalität. „Ihr habt aber bewiesen, dass Ihr in einer schwierigen Situation gut arbeiten konntet“, lobt Cordier und hat als Belohnung einen Scheck der Elternvertretung über 250 Euro mitgebracht.

 Bei der Zeugnisverleihung überreicht Schulleiter Klaus Damde Rosen.

Bei der Zeugnisverleihung überreicht Schulleiter Klaus Damde Rosen.

Foto: KERSTIN KRAEMER

„Wir sind echt eine ungewöhnliche Truppe“, bestätigt auch Abiturientin Greta Haxhiu und pocht sowohl auf Zusammenhalt wie auf Souveränität: „Was gilt, ist die eigene Entscheidung – nicht, was die anderen denken.“ Als eine der ersten Schulen des Landes habe das THG den Online-Unterricht durchgesetzt, „aber, mal ehrlich – ein bisschen nervig war das schon“, flapst Greta, um ernst wieder nach vorne zu gucken: „Wir sind fertig mit der Schule. Unsere Wege trennen sich hier. Jetzt sind wir auf uns alleine gestellt.“

Ähnlich äußert sich Abiturient Martin Speck, der in burschikoser Mundart von Ängsten und deren Überwindung, von Vertrauen und Zuversicht berichtet. Speck: „Die Welt steht uns jetzt offen!“ Dass es bei vielen offen stehenden Türen aber auch mächtig ziehen könne, gibt augenzwinkernd Chemie-Tutor Florian Bäumchen zu bedenken – prompt purzelt als bestätigendes Omen eine Zahl aus der Ballonschrift, die in Goldbuchstaben „Abitur 2021“ über die Bühne malt.

Bäumchen macht die Herausforderung, eine Rede halten zu müssen, selbst zum Thema und findet sein Heil erfolgreich in der Lyrik – mit einem fulminanten, frenetisch beklatschten Poetry Slam-Vortrag. „Nutzt Eure Fantasie, um die Welt zu verbessern!“ appelliert Bäumchen und empfiehlt „Balance halten“, „schöner scheitern“ und „Gemeinschaft schaffen, statt gemein schaffen“ - Ratschläge, wie sie auch die von ihm zitierte Pippi Langstrumpf nicht besser hätte erteilen können.

Und noch bevor zum Abschluss des offiziellen Teils wie in jedem Jahr die „Ehrung der Besten“ für herausragende Leistungen oder besonderes Engagement erfolgt, werden die Reifezeugnisse ausgehändigt. Damde ist zufrieden: „An den Reden, die Ihr gehalten habt, sehe ich, dass Ihr mehr mitgenommen habt als nur dieses Dokument!“

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