Eine Analyse der besonderen Art Wie Wasser zu Geld wird und wohin es fließt

Saarbrücken · Seit 2013 erhöhten die Stadtwerke den Wasserpreis um 3 Prozent – aber den Grundpreis für den Anschluss um 160 Prozent.

 Und das ist der Hauptwasserschlucker in vielen Haushalten.     

Und das ist der Hauptwasserschlucker in vielen Haushalten.   

Foto: dpa/Martin Gerten

Stimmt meine Wasserrechnung? Der Literpreis ist seit 2013 fast unverändert. Aber die Miete für die Wasseruhr ist um 160 Prozent gestiegen? Kann das sein? Hab‘ ich die richtige Wasseruhr im Keller? Oder bezahle ich da womöglich viel zu viel?  Ist die Uhr vielleicht für ein viel größeres Haus? Und bei mir nur aus Versehen eingebaut? Diese Fragen tauchen immer wieder auf, wenn die Stadtwerke (SWS) Rechnungen verschicken oder Wasseruhren auswechseln.

Vier Elemente bestimmen die Wasserrechnung. Da ist erstens der „Grundpreis inklusive Bereitstellung, Messung und Abrechnung“, im Volksmund grob vereinfacht: die Miete für die Wasseruhr. Dazu kommen: zweitens der „Verbrauchspreis“, also der Preis für 1000 Liter (ein Kubikmeter) – drittens die „Grundwasserentnahmegebühr“ und viertens die Mehrwertsteuer.

Die letzten drei hängen eng zusammen: 1000 Liter Wasser (ein Kubikmeter) kosten 2,21 Euro. Davon sind 1,97 Euro für die SWS. Das Saarland kassiert 10 Cent als „Grundwasserentnahmegebühr“, und die Bundesregierung holt sich 14 Cent als Mehrwertsteuer (7 Prozent).

Die Saarbrücker zapfen im Schnitt jährlich rund 10 Millionen Liter. Daran verdient das Land pro Jahr eine Million und der Bund 1,4 Millionen. Die SWS nehmen 19,7 Millionen ein.

Nun sind die Saarbrücker mit dem Wasser allerdings sehr sparsam. Der Verbrauch stagniert, obwohl die Bevölkerung wächst. Also stagnieren auch die Einnahmen aus dem Wasserverkauf. Gleichzeitig müssen die SWS aber immer mehr Geld ausgeben, um all das in Schuss zu halten, was sie brauchen, um das Wasser bis an die Hähne der Saarbrücker zu bringen. Dazu gehören: 20 Brunnen, zwei Wasserwerke, rund 850 Kilometer Wasserleitung, sechs Pumpstationen und 21 Hochbehälter.

Die SWS brauchen also jedes Jahr mehr Geld. Trotzdem haben sie ihren 1000-Liter-Preis seit 2013 nur einmal um drei Prozent erhöht (von 2,05 auf 2,11 Euro brutto). Denn die SWS glauben: Wenn sie beim Literpreis spürbar draufsatteln, werden die Saarbrücker nur umso konsequenter sparen. Also bleibt den SWS seit rund zehn Jahren nur eine Möglichkeit, um ihre Einnahmen zu steigern: Sie müssen immer wieder die Miete für ihre Wasseruhren erhöhen – also ihren „Grundpreis inklusive Bereitstellung, Messung und Abrechnung“.

Ergebnis: Die Miete für ihre am meisten verbaute Wasseruhr vom Typ Qn 2,5 (identisch mit Q3=4) ist seit 2013 um 160 Prozent gestiegen. Und zwar von brutto 73,80 Euro im Jahr 2013 auf jetzt 192 Euro (seit 2018). Dadurch werden die SWS allein für ihre Qn 2,5-Uhren im Jahr 2019 rund 7 Millionen Euro Miete einnehmen – rund 4,3 Millionen Euro mehr als 2013.

Doch all dieses Geld – so stöhnen die SWS – werden sie noch im selben Jahr wieder los. Denn allein in ihren fünf wichtigsten Ausgabenbereichen müssen die SWS heute pro Jahr insgesamt rund 3,9 Millionen mehr bezahlen als noch 2013. Ihre jährlichen Kosten für Personal und Dienstleistungen liegen heute rund 800 000 Euro höher, ihre Energiekosten um 200 000 Euro und für die Wartung ihrer unterirdischen Anlagen müssen sie jährlich 1,3 Millionen mehr ausgeben.

Auch das Wasser, das sie von der Wasserwerk Bliestal (WWB) GmbH kaufen, kostet inzwischen jährlich 600 000 Euro mehr. (Rund 90 Prozent der WWB gehören allerdings den SWS – die sich damit also selbst Wasser verkaufen, denn die SWS beziehen rund 60 Prozent ihres Wassers von den WWB.)

Und schließlich verlangt die Stadt von ihren SWS beim Wasser heute jährlich eine Million mehr an Konzessionsabgabe als noch 2013. Insgesamt bezahlen die SWS der Stadt dafür jedes Jahr rund 3,2 Millionen. Das ist rund ein Zehntel der SWS-Einnahmen. Dieses Geld fließt in den Stadthaushalt. Die gesetzliche Grundlage der Konzessionsabgabe stammt aus der Nazizeit.

Franz-Josef Johann, Chef der SWS-Wassersparte (Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Saarbrücken Netz AG), versichert, dass die Wassersparte der SWS keinen Beitrag zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehres (ÖPNV) leistet: „Unsere Einnahmen  werden ausschließlich dazu verwendet, um die Trinkwasserversorgung zu finanzieren und für die Zukunft zu sichern.“

Bereits im Mai 2013 hatte die SZ erläutert, welche Wasseruhren für welche Wohnhäuser korrekt sind: Die Uhr mit der Bezeichnung Qn 2,5 (Jahresmiete  aktuell brutto 192 Euro) ist für Häuser mit bis zu dreißig Wohnungen. Die Qn 6 (Jahresmiete aktuell 345,48 Euro) ist für 31 bis 100 Wohnungen. Die Qn10 (Jahresmiete 575,88 Euro) ist für 100 bis 200 Wohnungen. Doch am 1. November 2016 setzte die Europäische Union (EU) eine neue „Messgeräterichtlinie“ (Measurement Instruments Directive  2004/22 EG) in Kraft – genannt Mid – und sorgte damit für allerhand Verwirrung. Denn die Mid schreibt neue Typenbezeichnungen für die Wasseruhren vor.

Und wenn die Stadtwerke Saarbrücken nun turnusmäßig alte Uhren gegen neue auswechseln, können die Bürger nicht mehr feststellen, ob dieses Modell auch wirklich für ihr Haus korrekt ist – denn weder EU noch SWS hängen Info-Blätter neben die Uhren.

Die Typenbezeichnungen änderten sich wie folgt: Die Uhr mit der Bezeichnung Qn 2,5 heißt jetzt Q3=4 (für Häuser mit bis zu dreißig Wohnungen), die Qn 6 wird ersetzt durch die Q3=10 (für 31 bis 100 Wohnungen) und die Qn10 ist nun die Q3=16 (für 100 bis 200 Wohnungen).

Die Stadtwerke haben insgesamt rund 42 000 Wasseruhren, 39 130 sind vom Typ Qn2,5, 1992 vom Typ Qn6, 671 vom Typ Qn10.  Einige andere Modelle  sind noch sehr viel größer – aber davon gibt es nur ganz wenige.

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