Auf den Spuren Theodor Storms Sommermusik in der Saarbrücker Friedhofshalle

Saarbrücken · Bernd Reutler macht aus Theodor Storms Werk ein melodramatisches Triptychon.

 Bernd Reutler  Foto: Iris Maurer

Bernd Reutler Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

 In der diesjährigen Ausgabe der Saarbrücker Sommermusik steht der Schriftsteller Theodor Storm (1817–1888) im Mittelpunkt. Bernd Reutler hat aus dem Werk des berühmten Autors des „Schimmelreiters“ ein melodramatisches Triptychon für drei Sprecher – Barbara Scheck, Peter Tiefenbrunner und Reutler –  und ein Schlagzeug konzipiert, das den Bogen vom titelgebenden Werden zum Vergehen spannt.

In der spärlich beleuchteten neuen Einsegnungshalle des Saarbrücker Hauptfriedhofs dämmert es, als Barbara Scheck Theodor Storms Sonett „Neuer Frühling“ rezitiert. Sie spiegelt sich in den großen Fenstern und sticht mit ihrem weißen Kostüm hervor. Zur visuellen Untermalung von Storms naturverbundenen Frühlingsgedichten leuchtet Medienkünstler Krischan Kriesten die ansprechend gestaltete Anlage  im Freien mit stimmungsvollen warmen Farben aus. In Barbara Schecks Rücken aufersteht augenfällig der Lenz. Die visuelle Augenweide und Schecks Rezitation werden von Oliver Strauch mit kurzen Einlagen auf Steel-Drums und Bellaphon kommentiert, was die Inszenierung inmitten dieses besinnlichen, im Grunde etwas kargen Ortes zu einem alle Sinne berührenden Gesamterlebnis macht und zum Innehalten einlädt.

Auf das erste Bild vom Werden folgt der zweite, dramatische Teil des Triptychons, in dem Peter Tiefenbrunner meisterlich das Schlusskapitel von Storms bekanntester Novelle, dem „Schimmelreiter“, rezitiert. Zunächst von der Empore herab über die Köpfe des nun im völligen Dunkel lauschenden Publikums: Der Deichgraf wohnt mit seinem Kinde ohnmächtig dem Tod seiner Gattin, die nun zu Gott gegangen ist, bei. Und die Ereignisse überschlagen sich, als die Deiche tosend brechen. Storms naturalistische Schilderungen versinnbildlichen die Unbezwingbarkeit der Naturgewalten, die den Schimmelreiter und Deichgrafen zu Spielbällen des Weltenspiels nie gekannten Ausmaßes machen. Strauchs teilweise wilden Schlagzeug-Soli machen dieses Gefühl der Ohnmacht menschlichen Schicksals eindrucksvoll hörbar – Kriestens abstrakte Projektionen in dramatischen Farben unterstreichen in der Einsegnungshalle den fatalen Moment der Vergeblichkeit und Unentrinnbarkeit.

Im dritten und letzten Teils des Triptychons dominiert die dem Ort innewohnende Besinnlichkeit. Im Kerzenschein rezitiert Reutler mit Bedacht und sitzend Gedichte über das Sterben und den Tod. Das leise vorgetragene Lamento, in dem das gebrochene, lyrische Ich sich die längst vergangenen Momente seiner Jugend vergegenwärtigt, bildet den Schlusspunkt dieser bemerkenswerten Inszenierung, in der die Bandbreite menschlicher Gefühlslagen zu Gehör kommt. Das Publikum ist von der stimmigen Verschränkung von Rezitation, Schlagzeug und Beamer-Projektionen beeindruckt und hält eine kurze Weile inne, bis es sich aus dem Bann der Inszenierung klatschend lösen kann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort