Hilfe für Menschen ohne Obdach Sie helfen, wo sonst niemand hilft

Saarbrücken · In der Saarbrücker „Praxis für Medizinische Grundversorgung für Wohnungslose“ werden Menschen ohne Krankenversicherung behandelt.

 Ärztinnen wie Dr. Karin Lauterwasser arbeiten ehrenamtlich in der Praxis. Die Patienten werden dort nicht nur medizinisch versorgt.

Ärztinnen wie Dr. Karin Lauterwasser arbeiten ehrenamtlich in der Praxis. Die Patienten werden dort nicht nur medizinisch versorgt.

Foto: Helmut Paulus / Diakonie

Ein Leben in Armut und Obdachlosigkeit macht krank. Für die Betroffenen ist das umso schlimmer, da viele von ihnen nicht krankenversichert sind oder sie notwendige Medikamente nicht bezahlen können. Dieser Menschen nimmt sich die „Praxis Medizinische Grundversorgung für Wohnungslose“ in der Johannisstraße in Saarbrücken an. Dort kümmern sich Sozialarbeiter, Ärzte und Helfer um Patienten, die keine regulären medizinischen Angebote in Anspruch nehmen können. Träger der Praxis sind die Kassenärztliche Vereinigung Saarland (KVS) und das Diakonische Werk.

In der Praxis würden aktuell insgesamt rund 200 Patienten medizinisch versorgt, sagt Thomas Braun, Sozialarbeiter im Haus der Diakonie. „Die meisten sind Menschen, die es nicht mehr schaffen, sich selbst um sich zu kümmern.“ Das Durchschnittsalter der Patienten liege zwischen 35 und 45 Jahren. „Wer auf der Straße lebt, wird häufig nicht viel älter“, sagt Braun. Rund 40 Prozent der Patienten seien Frauen. „Dabei machen sie offiziell nur 20 bis 25 Prozent der Obdachlosen aus.“ Das zeige, dass es besonders bei Frauen eine große Dunkelziffer gebe – Braun spricht von „verdeckter Wohnungslosigkeit“. „Das liegt auch an der Wohnungsprostitution“, ergänzt Anne Fennel, Geschäftsführerin der Diakonie Saar. „Die Frauen gehen abends mit Männern nach Hause, um nicht auf der Straße schlafen zu müssen.“ Aus Scham würden sie sich häufig nicht an Hilfsorganisationen wenden und daher nicht in Obdachlosenstatistiken auftauchen.

Aktuell versorgen acht ehrenamtlich tätige Ärzte die Patienten in zwei Behandlungszimmern. „Die Ärzte genießen die Arbeit hier, weil sie sich für die Patienten Zeit nehmen können“, sagt Dr. Gunter Hauptmann, niedergelassener Frauenarzt und Vorstandsvorsitzender der KVS. „Wir haben mittlerweile für fast alle Bereiche entsprechende Fachärzte.“ Zahnärztliche Behandlungen seien in den Räumen allerdings schwer möglich, da sie meist spezielle Geräte erforderten. „Außerdem suchen wir derzeit noch einen Orthopäden“, sagt Hauptmann. Kleinkinder werden in der Praxis allerdings nicht behandelt. „Die vermitteln wir an Kinderärzte in der Nähe.“

Die Patienten werden in der Praxis über die bloße medizinische Versorgung hinaus betreut. „Wir haben hier beispielsweise auch Duschen und saubere Kleidung, damit sie sich vor der Untersuchung frischmachen können“, erklärt Sigrun Krack vom Diakonischen Werk. „Wenn einer der Patienten, die nicht krankenversichert sind, ins Krankenhaus muss, sorgen wir dafür, dass er dort auch aufgenommen wird“, sagt Sozialarbeiter Thomas Braun. „Wenn jemand dort alleine hingeht, funktioniert das häufig nicht.“

Generell versuchen die Praxismitarbeiter, ihre Patienten wieder ins Krankenversicherungssystem zurückzubringen. Das ist mitunter keine leichte Aufgabe, wie Thomas Braun erläutert. „Die meisten unserer Patienten waren ja früher versichert“, sagt er. Viele würden aber seit Jahren keine Beiträge zahlen oder hätten keine Versichertenkarte mehr. „Seit in Deutschland die Versicherungspflicht besteht, sagen die Krankenkassen dann: ‚Der Patient war ja die ganze Zeit bei uns versichert, also muss er zunächst einmal die Beiträge nachzahlen.“ Für die Berechnung werde dann häufig der Maximalsatz herangezogen, sagt Braun. „Die bekommen dann Rechnungen über zehntausende Euro.“ Braun vermittle dann zwischen Krankenkasse und Patienten. „Häufig weigern sich die Versicherungen, eine neue Karte auszustellen, bis die Schulden bezahlt sind, obwohl sie eigentlich dazu verpflichtet sind.“

Die Praxis möchte ihr Angebot künftig noch weiter ausbauen. „Wir brauchen beispielsweise Krankenbetten, um Patienten auch stationär aufnehmen zu können“, sagt Sigrun Krack. Neben der Unterstützung durch die KVS und das Diakonische Werk ist die Praxis dabei auch auf Spenden angewiesen. Die Bank 1 Saar und die KVS haben dazu im Rahmen der Aktion „Wir helfen im Saarland“ 10 500 Euro gesammelt, die die Bank auf 12 000 Euro aufgestockt hat.  Das Projekt sei für ihn eine Herzensangelegenheit, sagt Kurt Reinstädtler, Vorstandsmitglied der Bank 1 Saar. „Ich freue mich sehr, dass so viel Geld zusammengekommen ist. Die Aktion zeigt, dass es möglich ist, Menschen in solchen Notlagen zu helfen.“

Kontakt: Wer die Arbeit der Praxis unterstützen möchte, erreicht sie unter Telefonnummer (06 81) 3 89 83 22, per E-Mail an ­praxis-grundversorgung@dwsaar.de oder im Internet unter auf der Webseite:

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