„Big Spender“-Inszinierung von acting and arts „Es hat viel Kraft gekostet, das Niveau hochzuhalten“

Saarbrücken · Corona verlangt der Schauspielschule „acting and arts“ einiges ab. Mit „Big Spender“ liefern die Schauspieler dennoch hochkarätiges Qualitätstheater.

 „Big Spender - Die Show mit Herz (v.l.n.r.): Die Kandidatinnen: Lena Noß, Miriam Costa, Antonia Netter, Anna Steil.

„Big Spender - Die Show mit Herz (v.l.n.r.): Die Kandidatinnen: Lena Noß, Miriam Costa, Antonia Netter, Anna Steil.

Foto: actíng and arts

Mittwoch-Nachmittag in der privaten Schauspielschule „acting and arts“ in Saarbrücken. Das Team der aktuellen Produktion ist zu einer „Lagebesprechung“, wie Schulleiterin Petra Lamy es nennt, zusammengekommen. Gemeinsam mit ihren Schülern und Nancy Fischer, „acting and arts“-Dozentin und Regisseurin des aktuellen Stücks, diskutiert Lamy hier, wie es im Angesicht der aktuellen Entwicklungen mit dem Stück „Big Spender“ weitergehen soll. Macht es Sinn, noch mehr Vorstellungen zu planen, oder wartet man damit besser bis nächstes Jahr?

Statt von Jubiläumsfestivitäten – immerhin feiert „actings and arts“ in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen – war das letzte Dreivierteljahr von solchen Diskussionsrunden geprägt. Das sei auch „ganz typisch“ für diese Produktion, bemerkt Nancy Fischer. Bereits im letzten Jahr haben die Proben zum Stück „Big Spender“ begonnen. Hart getroffen vom Lockdown und Corona-bedingten Umbesetzungen musste die Premiere zwei Mal verschoben werden. „Es hat uns viel Kraft gekostet, das Niveau hochzuhalten“, berichtet Fischer: „Außerdem mussten wir viele Dinge ändern auf der Bühne.“

Die schon geplanten Vorstellungen wollen sie – sofern möglich  – noch spielen, beschließt die Gruppe. Weitere Termine will man aber erst im nächsten Jahr ansetzen. „Die Schule muss zur Ruhe kommen“, betont Lamy. Es liegen turbulente Monate hinter ihr und ihrem Team. Der Lockdown traf die Schule mitten im Trimester. „Um die Moral hochzuhalten“, wie Lamy sagt, hat sie sich gemeinsam mit ihrem Ex-Hospitanten und  Absolventen des Schauspiel-Orientierungsjahrs Nicolas Hübschen und „actings and arts“-Urgestein Manuel Franz „Corona-Challenges“ auf Whatsapp überlegt. „Es ist wirklich irre, was über dieses Format entstanden ist“, erklären ihre Schüler.

Als der Lockdown beendet wurde, musste über Nacht ein Hygienekonzept erstellt, die Schule auf Vordermann gebracht werden. 15-Stunden-Tage waren da keine Seltenheit, weder für Lamy, noch für ihre fleißigen Helfer. „Du kannst einerseits nicht verlangen, dass das alles aus Goodwill gemacht wird, andererseits geht es auch gar nicht anders“, sagt Lamy. Gerade dieser Zusammenhalt, dieses „mehr ein zweites Zuhause als bloß Schauspielschule“ zu sein, ist etwas, das bei „acting and arts“ schon immer ganz vorne stand. „Der Spirit war immer auch, nicht nur ein Handwerk, sondern auch Künstlermenschen zu unterrichten“, sagt Lamy. Vor allem die Schüler der Produktions- und durchgehenden Klassen sind stark mit der Schule verbunden: Sie helfen, ob sie spielen oder nicht. Denn bei „acting and arts“ kommt alles aus eigener Hand: Abbau, Aufbau, Bühnenbild, Licht, Gästeempfang. „Es ist wie in der freien Szene“, sagt Lamy, „und es ist immer auch ein Prozess, dahin zu kommen“. Sie ergänzt: „Und etwas, das die Leistungstragenden auslaugen kann.“

Von dieser Müdigkeit spürt man in „Big Spender“ übrigens rein gar nichts. Wach und energiegeladen präsentiert die Truppe die bissige Parodie von Autorin Corina Rues-Benz auf die Abgründe des Reality-TV. Immer kreist das Stück um die Frage: „Wer gewinnt das Herz des ,Big Spenders’?“ Um Liebe geht es dabei aber trotzdem nicht. Denn zu gewinnen gibt es bei der Unterhaltungs-Gameshow „Big Spender“, ja, ganz richtig, ein Spender-Herz. Dabei gehen die Schauspieler – die Ergänzung „Schüler“ darf man hier ganz getrost weglassen – derart in ihren Rollen als moralisch fragwürdiger Ärztin, schelmischem Moderator und verzweifeltem Angehörigen auf, das ein regelrechter Sog entsteht: Mit Licht und Bühnenbild, die ihr übriges tun, vergisst man bisweilen, dass man überhaupt Zuschauer eines Theaterstücks ist. Viel eher wähnt man sich vor dem heimischen Fernseher, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion brechen auf. Qualitäts-Theater, wie man es von „acting and arts“ gewohnt ist.

Dennoch: „Wir haben alle etwas geblockt, um das über die Bühne zu bringen“, sagt Lamy, „und das seit Monaten.“ Sie ergänzt: „Wir brauchen jetzt mal irgendetwas anderes, als ‚Big Spender’. Das heißt aber nicht, das wir nicht stolz sind.“ Und das kann die Truppe, angesichts solch einer gelungenen Inszenierungen in diesen chaotischen Zeiten auch guten Gewissens sein.

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