Nach Kritik der Liga der freien Wohlfahrtspflege Saar Land lehnt Aussetzen von Zwangsräumungen ab

Saarbrücken · Die Liga der freien Wohlfahrtspflege Saar hat Amtsgerichte und Gerichtsvollzieher im Saarland dazu aufgefordert, Zwangsräumungen während der Coronakrise auszusetzen.

Saarland lehnt Aussetzen von Zwangsräumungen ab
Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

„Die Zwangsräumung einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern durch einen Gerichtsvollzieher letzte Woche in Saarbrücken ist in der derzeitigen Situation ein Skandal“, sagte die Vorsitzende des Liga-Ausschusses Armut, Anne Fennel. Auch in anderen saarländischen Städten und Kreisen würden Zwangsräumungen trotz Ausgangsbeschränkungen derzeit nicht aufgeschoben.

Im Fall der Saarbrücker Familie war ein Antrag auf Aufschub vom Amtsgericht abgelehnt worden. Die alleinerziehende Mutter musste mit ihren Kindern die Wohnung verlassen und wurde durch die Obdachlosenbehörde in eine andere Wohnung eingewiesen. Sie konnten nach Liga-Angaben lediglich mitnehmen, was sie tragen konnten. Zwar dürften Besitztümer und Einrichtung noch abgeholt werden, doch dies zu organisieren sei kaum möglich, da auch die Wohlfahrtsverbände durch die einschneidenden Beschränkungen nicht überall tätig werden dürften, so die Liga. Dies verschärfe die Situation von Betroffenen. „Während alle Bürgerinnen und Bürger aufgefordert sind, zu Hause zu bleiben, werden andere auf die Straße gesetzt“, kritisiert Fennel.

Das Justizministerium erklärte dazu auf SZ-Anfrage: „Seitens der saarländischen Landesregierung ist eine generelle Anweisung zur Aussetzung von Zwangsräumungen nicht beabsichtigt.“ Ein gerichtliches Räumungsurteil werde in der Regel von einem Vermieter erwirkt. Dem Schuldner stehe aber das Recht zu, eine Räumungsfrist zu beantragen, über deren Gewährung oder Verlängerung in richterlicher Unabhängigkeit zu entscheiden ist. Ferner könne einem Schuldner (Mieter) Vollstreckungsschutz gewährt werden, wenn die Räumung für ihn wegen besonderer Umstände eine „Härte“ bedeuten würde. Auch darüber werde in richterlicher Unabhängigkeit entschieden. Es gebe keine Einflussnahme durch das Ministerium der Justiz, betonte eine Sprecherin.

Auf der Ebene der Gerichtsvollzieher haben das Land vor dem Hintergrund der möglichst effizienten Eindämmung der Corona-Pandemie zwar allgemein eine Empfehlung ausgesprochen, nach Dringlichkeit der Aufträge zu differenzieren. Eine weitergehende Einflussnahme aber, nämlich generell und unabhängig von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls von Zwangsräumungen abzusehen, „würde dem Justizgewährungsanspruch und damit letztlich einem funktionierenden Rechtsstaat zuwiderlaufen“, so die Sprecherin. Sie erinnerte zudem daran, dass der Mieterschutz angesichts der aktuellen Situation kürzlich deutlich gestärkt wurde. So kann seit 1. April und bis 30. Juni 2020 nicht wegen ausgefallener Mietzahlungen aufgrund der Corona-Pandemie gekündigt werden. Ferner habe der Gerichtsvollzieher in Fällen drohender Obdachlosigkeit unverzüglich die jeweilige Ortspolizeibehörde zu informieren. Diese könne den betroffenen Personen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit entweder die bestehende Wohnung oder eine Ersatzunterkunft zuweisen.

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