Saarbrücker Rechtsdezernent Der Mann, der ungern das Rathaus verlässt

Saarbrücken · Kurz vor seiner Pensionierung wurde Saarbrückens Rechtsdezernent Jürgen Wohlfarth mit der Freiherr-vom-Stein-Medaille geehrt.

 Jürgen Wohlfarth steht im Saarbrücker Rathaus bei einer Büste des Freiherrn vom Stein, eines preußischen Beamten und Reformers.

Jürgen Wohlfarth steht im Saarbrücker Rathaus bei einer Büste des Freiherrn vom Stein, eines preußischen Beamten und Reformers.

Foto: BeckerBredel

Vielleicht ist es für Jürgen Wohlfarth manchmal langweilig, Jürgen Wohlfarth zu sein. Zum Beispiel, wenn ein Verwaltungsrichter in einem Prozess, in dem Jürgen Wohlfarth die Interessen der Landeshauptstadt Saarbücken vertritt, die Rechtslage erklärt und dazu aus einem juristischen Kommentar zitiert, den Jürgen Wohlfarth selbst geschrieben hat. Zumindest dürfte es für Anwälte, die gegen Jürgen Wohlfarth, den Rechtsdezernenten der Saarbrücker Stadtverwaltung, vor Gericht antreten, mitunter frustrierend sein, dass er das Recht, das gesprochen wird, mit hoher Wahrscheinlichkeit in der gängigen Fachliteratur schon kommentiert und damit Maßstäbe gesetzt hat.

113 Titel stehen auf Jürgen Wohlfarths Schriftenverzeichnis. „Die Kommune vor dem Strafrichter“, „Kommunalrecht für das Saarland“, „Verfassung des Saarlandes“, „Die Betätigung der Gemeinde außerhalb ihres Gebietes“, „Rechtliche und tatsächliche Aspekte der Videoüberwachung im öffentlichen Raum“, „Sach- und Rechtsfragen des Anwohnerparkens“, „Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht“, „Die Inbesitznahme der Straße durch Randgruppen“, „Rechtsfragen der Stadtmöblierung“ und „Grenzen der Vertretungsbefugnis des Steuerberaters in Kommunalabgabesachen“ lauten die Titel einiger dieser Schriften.

Jürgen Wohlfarth schreibt nicht nur über Recht, er bildet an der Fachhochschule auch Verwaltungsjuristen aus. Auch in der georgischen Hauptstadt Tiflis und im vietnamesischen Innenministerium waren seine Dienste gefragt.

Und bald hat er mehr Zeit zum Schreiben. Im kommenden Jahr wird der Rechtsdezernent 69 Jahre alt. Dann muss er seinen Schreibtisch im Saarbrücker Rathaus räumen. Dreimal hat der Stadtrat bereits sein Arbeitsverhältnis übers Rentendatum hinaus verlängert, ein viertes Mal geht nicht.

Glücklich ist Jürgen Wohlfarth nicht damit, dass er am 31. März gehen muss. „Ich habe am Ruhestand kein Interesse“, sagt er. Es sei doch „wunderbar, wenn man morgens aus dem Haus gehen kann, abends zurückkommt und dazwischen etwas Sinnvolles tun kann“.

Dass Jürgen Wohlfarth überhaupt ins Saarbrücker Rathaus gekommen ist, lag auch einem Vortrag. Den hat er Mitte der 1980er-Jahre in Köln gehalten. Unter den Zuhörern, erinnert sich Wohlfarth, war der damalige Saarbrücker Bürgermeister Hans-Jürgen Koebnick. Der sei nicht nur von der juristischen Expertise beeindruckt gewesen, sondern habe einen saarländischen Akzent beim Referenten erkannt. In der Tat: Jürgen Wohlfarth wurde in Sulzbach geboren. Sein Vater war Schlosser auf der Hütte. Wohlfarth hat auch in Saarbrücken studiert. Im Saarland gab es dann aber nicht direkt einen Job. „Also habe ich mich dort beworben, wo damals quasi rund um die Uhr eingestellt wurde: in Nordrhein-Westfalen“, erzählt Jürgen Wohlfarth. Dort hat er ein Ordnungsamt geleitet, bis der Anruf von Koebnik kam. Nachdem Oskar Lafontaine Ministerpräsident geworden war, hatte Koebnik von ihm das Amt des Saarbrücker Oberbürgermeisters übernommen. Und er wollte Wohlfarth in seinem Team.

Inzwischen gehört der Saarbrücker Jurist zu einem Netzwerk innerhalb des Deutschen Städtetags. Wohlfarth ist Mitglied der Arbeitskreise für Datenschutz sowie für Sicherheit und Ordnung in deutschen Großstädten. Und er sitzt im Rechts- und Verfassungsausschuss des Städtetags. Für diese Arbeit hat ihm der Städtetag seine höchste Auszeichnung verliehen: die Freiherr-vom-Stein-Medaille. Diese Arbeit beim Städtetag sei auch für Saarbrücken wichtig, sagt Wohlfarth. Denn: „Gute Kontakte sind sehr nützlich.“ Schließlich habe er „im Saarland keine Gesprächspartner“, wenn es um juristische Probleme gehe. „Ich kann da ja nicht in Neunkirchen oder Nohfelden anrufen“, sagt Jürgen Wohlfarth.

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