Perspectives-Festival Im Saarbrücker Festivalclub ging die Post ab

Saarbrücken · An einem Schauplatz der Perspectives gibt die Dekoration mindestens ebenso viele Denkanstöße wie die Inhalte des Programms. Bei zwei Top-Formationen aus dem Nachbarland ließ sich im Club des Festivals herrlich über die Fischgräten-Konstruktionen an den Wänden sinnieren.

 Die fünfköpfige Straßburger Band Ernest spielte im Festivalclub „Sektor Heimat“ vor der Deko von Giovanni d’Arcangelo und Philipp Neumann.

Die fünfköpfige Straßburger Band Ernest spielte im Festivalclub „Sektor Heimat“ vor der Deko von Giovanni d’Arcangelo und Philipp Neumann.

Foto: Oliver Dietze

Was mögen sie sich wohl diesmal ausgedacht haben? Mit ebenso viel Spannung wie die Konzerte, die im Perspectives-Festivalclub stattfinden, erwartet man stets auch die Ausstattung der Räume im Sektor Heimat.

Denn die werden bekanntlich jedes Jahr erneuert. Doch was sich Giovanni d’Arcangelo und Philipp Neumann diesmal dabei gedacht haben, ist gar nicht so einfach zu sagen.

Die hellen Latten-Gerüste vor schwarzem Tuch, die im Konzert-Raum an Wänden und Decke wuchern, erinnern ein wenig an Fischgräten oder auch die Filmkulissen des Expressionismus mit ihren verkürzten Perspektiven. Eine „höhlenartige Wirkung“ habe man beabsichtigt, erfährt man vom Künstler Neumann. Egal, auf jeden Fall passte sie vorzüglich zur Gruppe Ernest, die am Freitag die Konzertreihe eröffnete.

Die fünfköpfige Straßburger Formation mit ihrem namensgebenden Sänger und Frontman in Frack und Zylinder könnte einem nostalgischen Cabaret entsprungen sein. Der charismatische Ernest mit seiner rauen Stimme, der mit einem charmanten französischen Akzent deutsch sprach, ist der Richtige, um ein Publikum in Stimmung zu bringen. Ähnlich den britischen Tiger Lillies ließen es die fünf aber auch tüchtig rocken und Zirkusmusik-Sound mitklingen. Und mitten in einem Song über den Korsen Napoleon, der Europa „zu sehr geliebt“ habe, brillieren sie sogar mit einer kurzen Einlage in polyphonischem korsischem Gesang. „Das ist richtige Gute-Laune-Musik“, ließ sich eine Zuschauerin vernehmen, der die Rhythmen, wie vielen anderen, in die Beine gingen.

Mit recht wenigen Besuchern startete am Sonntag der Auftritt von Potochkine. Während es viele der Theater-Fans des Festivals nach dem Auschwitz-Stück „Kamp“ nach eigenem Bekunden eher nach Hause zog, kamen die meisten jüngeren Musik- und Club-Fans wie gewöhnlich erst kurz vor Mitternacht in die Gänge. Diejenigen, die allerdings nach und nach schon vor diesem Zeitpunkt eintrudelten, fingen sofort an zu tanzen. Einfach nur still und cool herumstehen und zuhören, das ist bei diesem energiegeladenen Industrial-Techno-Wave-Sound des Duos gar nicht zu machen. „Die Frau ist ’ne Bombe“, sagte ein staunender Zuschauer, fasziniert von Polly Paulette.

Die Sängerin neben Ernst SMP „an den Maschinen“ ist mit ihren endlos langen schwarzen Haaren und wallenden Hosen nicht nur optisch eine glänzende Erscheinung. Mit ihrer klangvoll durchdringenden Stimme und dem Sinn für Dramatik beherrscht sie die Bühne und das Publikum wie die Königin der Nacht. Mit Zugaben zeigte sich das Duo Potochkine trotz heftigem Applaus jedoch ein wenig geizig.

 Im Perspectives-Festivalclub „Sektor Heimat“ kommen die Musik- und Club-Fans meist erst ab der Mitternachtsstunde richtig in Partylaune.

Im Perspectives-Festivalclub „Sektor Heimat“ kommen die Musik- und Club-Fans meist erst ab der Mitternachtsstunde richtig in Partylaune.

Foto: Oliver Dietze

Wer jetzt erst in Fahrt gekommen war, konnte in der langen Club-Nacht zu DJs weitertanzen – und die neuen Wandmalereien und Einbauten in weiteren verwinkelten Räumen des Sektors Heimat erkunden.

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