Diskussion über muslimischen Feminismus Feministinnen diskutieren in Saarbrücken über „antimuslimischen Rassismus“ – und klammern das Thema Religion aus
Saarbrücken · Die Online-Diskussion des Saarbrücker Frauenforums über „muslimischen Feminismus“ und die Kopftuchdebatte geriet wenig kontrovers. Denn „Altfeministinnen“ mit ihren kritischen Positionen zum Islam waren gar nicht erst eingeladen worden.
Das Kopftuch ist für viele – immer noch – ein rotes Tuch. Und seine muslimischen Trägerinnen, von denen es in Deutschland immer mehr werden – erfahren täglich Diskriminierung. Manchmal „nur“ in Form von Blicken, Bemerkungen – im Extremfall auch als gewalttätige Übergriffe. Die Hijab-Trägerinnen in der Online-Diskussion zum Thema „Muslimischer Feminismus“, die das Frauenbüro der Stadt Saarbrücken gemeinsam mit der FrauenGenderBibliothek und „Yallah!“, dem Bündnis für Salafismusprävention, am Dienstag organisiert hatte, berichteten von derlei Verletzungen ihrer Würde – und von struktureller Ausgrenzung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Musliminnen würden gleich mehrfach diskriminiert: als Frauen, wegen ihres Glaubens – und oft auch aufgrund ihrer ethnischen Herkunft. „Intersektionaler Rassismus“ heißt das unter Expertinnen.
In der Diskussion sollte es darum gehen, auf welcher Basis diese antimuslimische (mehrdimensionale) Diskriminierung entsteht – und was dagegen getan werden kann. Wie können sich Frauen in feministischen Debatten gleichberechtigt begegnen? Dazu gab die Berliner Politikwissenschaftlerin Ouassima Laabich-Mansour, die zu „intersektionalem Antirassismus“, gerechter und inklusiver Zukunft, „Empowerment-Strategien“ sowie sozialer Gerechtigkeit forscht, ein einführendes Statement ab.
Diskurs findet über die Köpfe muslimischer Frauen hinweg statt
Ihre Botschaft: Die „muslimisch gelesene Frau“, die sich offen zu ihrer Religion bekennt, werde als „Bedrohte und Bedrohung zugleich“ stigmatisiert. Insbesondere Kopftuchträgerinnen, würden Rechte auf Teilhabe und Selbstbestimmung oft abgesprochen, auch in feministischen Kreisen. Weil man ihnen „zuschreibe“, unterdrückt und unters Kopftuch gezwungen worden zu sein. „Und deshalb sollen sie unter Zwang vom Zwang befreit werden“, kritisiert die Frauenrechtlerin, die selbst den Hijab trägt. „Aber dieser Diskurs findet ohne die muslimischen Frauen statt. Allgemein gilt die Annahme: Das Kopftuchtragen kann nicht freiwillig sein.“ Manchmal sei es das tatsächlich nicht, konzidierte sie. Aber Kritik an der Verhüllung? Stehe – mit Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht – niemandem zu, so der Tenor der gesamten Diskussion.
Die Repressionen und „Rassismen“ gingen nicht nur von der „deutschen Dominanzgesellschaft“ aus, sondern speziell auch von „Altfeministinnen wie Alice Schwarzer“ oder dem postkolonialen, „liberalen Feminismus weißer feministischer Kreise“, die mit muslimischen Feministinnen nicht „auf Augenhöhe“ diskutieren, sondern Musliminnen „befreien“ wollten, übte Laabich-Mansour Kritik.
Kritik an „weißen privilegierten Frauen“
Diese „Altfeministinnen“ – als alte, weiße, privilegierte Frauen quasi das Pendant zum „alten, weißen Mann“ – mit ihrer kritischen Haltung zum orthodoxen Islam und dessen Verhüllungsgebot waren gar nicht erst eingeladen worden. Ihnen schrieben die Diskutantinnen zu (um im Sprachjargon der „Zuschreibungen“ zu bleiben) selbstgerecht und diskriminierend zu agieren. Auch wenn es um die vielen verschiedenen „Feminismen“ ging – bei dieser Veranstaltung kam nur eine Strömung zu Wort. Ein Austausch von Argumenten? Fehlanzeige. Vielmehr verwiesen Ouassima Laabich-Mansour und andere immer wieder auf das ihrer Meinung nach diskriminierende „Berufsverbot“ für Kopftuch tragende Lehrerinnen. Statt das staatliche Neutralitätsgebot zu diskutieren, verwies die Wissenschaftlerin lieber auf die Internet-Seite der Initiative „Pro Berliner Neutralitätsgesetz“ („Wer sich das antun möchte“).
Der in seiner extremen Ausprägung Demokratie feindliche politische Islam, dessen Symbol eben auch der Hijab ist, wurde mit keinem Wort erwähnt. Im Gegenteil: Über Religion wollten die Diskutantinnen des Online-Podiums überhaupt nicht reden. Und das Plenum – bis auf eine Teilnehmerin, die auf die patriarchalen Strukturen und Unterdrückungsmechanismen in allen Religionen hinwies – auch nicht. „Ich muss mich und meine Religion nicht immer wieder erklären“, befand die Religionswissenschaftlerin Samira Ghozzi unter großer Zustimmung. Und so drehte sich die Diskussion – nach einer Pause für alle, die Beten wollten – im Kreis.
Von Anfang bis Ende waren sich alle einig: Frauen sollen sich auf Augenhöhe begegnen, Solidarität zeigen, Zuhören. Denn die Ziele aller „Feminismen“ seien die selben: Selbstbestimmung, Freiheit, Gleichberechtigung. Der Erkenntnisgewinn des völlig kontroversfreien Abends in einer Blase gleichgesinnter Feministinnen: keiner. Eine echte Diskussion sieht anders aus.