Streit um Stelle des Saarbrücker Kulturdezernenten Druck auf die Saarbrücker Grünen wächst

Saarbrücken · Bürgerforum fordert die Neuausschreibung der Stelle des Kulturdezernenten, diesmal mit der Forderung nach Qualifikation.

 Am 30. September 2019 unterschrieben die Stadtrats-Fraktionsvorsitzenden des sogenannten Jamaika-Bündnisses ihren Koalitionsvertrag, von links: Torsten Reif (Grüne), Uwe Conradt (CDU), Barbara Meyer-Gluche (Grüne) und Helmut Isringhaus (FDP). Am Tag darauf trat Conradt sein Amt als direkt gewählter Saarbrücker Oberbürgermeister an. Gut zwei Monate später wurde Meyer-Gluche vom Stadtrat zur Saarbrücker Bürgermeisterin und Finanzdezernentin gewählt. Nun will Reif nach SZ-Informationen die zum 1. September neu zu besetzende Stelle des Kultur- und Bildungsdezernenten haben.

Am 30. September 2019 unterschrieben die Stadtrats-Fraktionsvorsitzenden des sogenannten Jamaika-Bündnisses ihren Koalitionsvertrag, von links: Torsten Reif (Grüne), Uwe Conradt (CDU), Barbara Meyer-Gluche (Grüne) und Helmut Isringhaus (FDP). Am Tag darauf trat Conradt sein Amt als direkt gewählter Saarbrücker Oberbürgermeister an. Gut zwei Monate später wurde Meyer-Gluche vom Stadtrat zur Saarbrücker Bürgermeisterin und Finanzdezernentin gewählt. Nun will Reif nach SZ-Informationen die zum 1. September neu zu besetzende Stelle des Kultur- und Bildungsdezernenten haben.

Foto: Martin Rolshausen

Von „politischem Selbstmord“ ist die Rede und von einem „Schuss in den Fuß“ und von „Harakiri mitten im Wahlkampf“. Wer in diesen Tagen mit Saarbrücker Kommunalpolitikerinnen und -politikern von CDU, Grünen und FDP spricht, stößt auf Ratlosigkeit, Verärgerung und angestrengtes Nachdenken darüber, „wie wir irgendwie aus der Nummer rauskommen“. „Die Nummer“ ist das Interesse des Vorsitzenden der Grünen-Stadtratsfraktion, Torsten Reif, an dem zum 1. September neu zu besetzenden Amt des Kultur- und Bildungsdezernenten (wir haben berichtet). Das Problem für die Grünen: Reif hatte bisher nichts mit Kultur- und Bildungspolitik zu tun. Setzen die Grünen Reif als Kandidaten durch, würde das eher nach parteipolitischer Versorgung als nach Bestenauswahl für eine Schlüsselstelle im Rathaus aussehen. Das könnte vor der Bundestagswahl im September zumindest Wählerinnen und Wähler verschrecken, denen die Kultur und die Bildung am Herzen liegen. Das Problem sieht man auch bei den Koalitionspartnern der Grünen, deren Stimmen Reif im Stadtrat braucht. Der Zorn der Wähler könnte auch sie treffen.

Einen Vorgeschmack darauf hat am Mittwoch das Saarbrücker Bürgerforum gegeben. Die Institution, die das Altstadtfest erfunden hat und deren Hartnäckigkeit es unter anderem zu verdanken ist, dass die Alte Brücke nicht abgerissen wurde, knöpft sich in einem offenen Brief an die 63 Saarbrücker Stadtverordneten erst mal den Vorsitzenden der CDU-Stadtratsfraktion, Sascha Zehner, vor. Der hatte in der Stadtratssitzung vergangene Woche den Antrag der SPD, in die Ausschreibung doch reinzuschreiben, dass ein Bewerber Kenntnisse und Erfahrung in Sachen Kultur und Bildung vorweisen muss, mit den Worten zurückgewiesen:  „Es geht darum, einen Entscheidungsträger zu finden. Dem wird diese Ausschreibung gerecht.“

„Es ist langsam erschreckend, wie wenig Sachwissen in der Politik gefragt ist“, schreibt die Vorsitzende des Bürgerforums, Ulrike Donié. Dann verweist sie auf Zehners Aussage und kommentiert: „Entscheidungsfreude ist ja etwas Gutes, nur sollte man von der Materie auch Ahnung haben, sonst gibt es zwar schnelle, aber falsche Entscheidungen.“ „Gerade in einer Situation, in der der Kultur- und Bildungsbereich – und nicht nur durch die Pandemie – vor immensen Herausforderungen steht, sind breitgefächerte themenspezifische Erfahrungen, fundierte Sachkenntnisse, ein visionärer Geist und Innovationskraft unabdingbar für die Besetzung der Stelle“, heißt es im Brief des Bürgerforums.  Es  fordert den Stadtrat auf, „die Ausschreibung für die Nachfolge im Kulturdezernat neu zu formulieren. Voraussetzung für eine Bewerberin oder einen Bewerber müsse zwingend  „Qualifikation und Erfahrung aus dem Kulturbereich“ sein. Auch aus der Kulturszene werden erste Stimmen laut, die das ebenfalls fordern. „Wir brauchen eine starke Besetzung mit absolutem Fachwissen und Liebe zur Kultur. Wir haben schon zu viel an Niveau und Fähigkeiten eingebüßt“, kommentierte etwa der Musikhochschul-Professor und Jazzmusiker Oliver Strauch auf Facebook.

Bei der FDP ist die Botschaft angekommen. „Man sollte da deutlich auf die einschlägige Qualifikation Wert legen“, sagt deren Kreisvorsitzender Roland König. „Es muss ein Kandidat sein, der qualifiziert und in der Lage ist, die darniederliegende Kultur wieder zu stärken“, sagt der Vorsitzende der FDP-Stadtratsfraktion, Helmut Isringhaus. Hilft da eine Ausschreibung, in der komplett auf fachliche Anforderungen verzichtet wird? Auf diese Frage an Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) teilte Stadtpressesprecher Thomas Blug am Mittwoch mit: „Die Ausschreibung entspricht den gesetzlichen Vorgaben und wurde nach einer öffentlichen Diskussion vom Stadtrat so beschlossen. Das Dezernat umfasst ein breites Aufgabenspektrum. Es reicht vom Zoo, über das Jugendhilfezentrum, die Grundschulen und Kitas bis hin zu Archiv, Stadtbibliothek oder Kulturamt und ist mit einer entsprechenden hohen Personalverantwortung verbunden. Die Ausschreibung lässt ein breites Bewerberspektrum zu, und es obliegt letztlich dem Rat, den besten Bewerber zu wählen.“

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