Saarbrücker Hilfstransport Mit Notstrom-Aggregat ins Innere der Ukraine

Saarbrücken/Kowel · Saarbrücker Helfer schafften einen Fünf-Tonnen-Koloss bis in die ukrainische Stadt Kowel, wo er die Wasserversorgung sichern soll. 

 Der Lkw einer ukrainischen Spedition holte das rund fünf Tonnen schwere Notstrom-Aggregat im Saarland ab. In der ukrainischen Stadt Kowel soll das Aggregat helfen, die Wasserversorgung von 70 000 Einwohnern zu sichern.

Der Lkw einer ukrainischen Spedition holte das rund fünf Tonnen schwere Notstrom-Aggregat im Saarland ab. In der ukrainischen Stadt Kowel soll das Aggregat helfen, die Wasserversorgung von 70 000 Einwohnern zu sichern.

Foto: Yve Brück

Ein Kraftakt – eine Herkules-Aufgabe – war diese private Hilfslieferung aus dem Saarland in die Ukraine. Denn diesmal ging’s nicht allein um handliche Hilfsgüter, die sich in Kartons verpacken lassen. Nein. Diesmal stand auch eine Art stählernes Ungetüm mit auf der Transportliste – und zwar ein Notstrom-Aggregat. Aber nicht eines für die Party in der Schrebergartensiedlung. Vielmehr ein Aggregat, das genug Power hat, um die Trinkwasserversorgung einer 70 000-Einwohner-Stadt zu sichern, falls die normale Stromversorgung zusammenbricht.

Natürlich passt so eine Maschine nicht in einen Kleintransporter. Sie wiegt rund 5000 Kilo – also stattliche fünf Tonnen. Sie ist über vier Meter lang, über drei Meter hoch und über zwei Meter breit. Da muss schon ein großer Lkw her. Und: So ein Schwer-Transport ist teuer – der würde in Deutschland zurzeit einige Tausend Euro kosten.

Aber die Ensheimerin Yve Brück und der Saarbrücker Verein „Help 4 Ukraine“ (Hilfe für die Ukraine) haben all diese Schwierigkeiten gemeistert und am 14. Juli tatsächlich ein Fünf-Tonnen-Notstrom-Aggregat in der ukrainischen Stadt Kowel abgeliefert.

Brück ist Saarbrücker Stadträtin, früher war sie bei den Grünen, seit Kurzem ist sie in der CDU. Aber sie betont, dass ihre Partei-Arbeit nichts mit ihrem Engagement für die Ukraine zu tun hat.

Brück unterhält einen landwirtschaftlichen Betrieb bei Ensheim und sammelt dort Hilfsgüter für ihren Verein. Dessen Gründer sind die ukrainisch-saarländischen Brüder Alexander und Bogdan Solovyanchuk. Der Verein bringt seine Hilfsgüter selbst in die Ukraine und arbeitet eng mit dem Roten Kreuz der ukrainischen Stadt Kowel zusammen.

Normalerweise enden deutsche Hilfstransporte an der Grenze zwischen Polen und der Ukraine oder kurz hinter der Grenze. Aber Ende April war es Brück und Alexander Solovyanchuk gelungen, einen ihrer Transporte selbst bis nach Kowel zu bringen – weit ins Innere der Ukraine. Rund 200 Kilometer östlich von Kowel stehen sich ukrainische und russische Truppen gegenüber. Rund 100 Kilometer nördlich liegt Belarus, das mit Russland verbündet ist. 

Ihre Eindrücke von dieser Fahrt beschrieb Brück Anfang Mai in der SZ. In Kowel hatten Brück und Solovyanchuk den Bahnhof, die Krankenhäuser und Verteidigungsanlagen besucht.

Solovyanchuk fungierte als Dolmetscher, und so erfuhr Brück, welche Probleme die Menschen dort haben – und wovor sie sich fürchten. Beispielsweise vor einem kompletten Stromausfall, bei dem dann auch die Trinkwasserversorgung der Stadt zusammenbrechen würde.

Und so kamen Brück und ihre Vereinskameraden auf die kühne Idee, der Stadt Kowel ein Notstrom-Aggregat zu besorgen, mit dem die Trinkwasserversorgung aufrecht erhalten werden könnte, wenn im Rest der Stadt die Lichter ausgehen.

Zurück im Saarland sammelten sie zunächst das Geld für den Kauf der Maschine. Solche Geräte kosten in der Regel auch gebraucht noch um die 20 000 Euro. Der Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) vermittelte eine anonyme Spende von 7000 Euro.

Dann aber mussten die Helfer lange suchen – nach einem Aggregat, das gut in Schuss war und trotzdem in ihrer Preisklasse. Nach einigen Wochen wurden sie schließlich doch noch fündig.

Das nächste Problem waren die Transportkosten. Die deutschen Speditionen waren allesamt zu teuer. Denn der Verein wollte zusätzlich zum Aggregat auch noch medizinische Hilfsgüter liefern – und hätte beides zusammen nicht bezahlen können.

Also plante der Verein, das Aggregat zu zerlegen, um es in Einzelteilen auf zwei Fahrten im Kleintransporter nach Kowel zu bringen. Aber da meldete sich plötzlich Alexander Buxmann, Vater der Solovyanchuk-Brüder und einer der Kontaktleute des Vereins in Kowel.

Er hatte nach wochenlanger Suche eine ukrainische Spedition gefunden, die bereit war, das Aggregat für einen Preis zu transportieren, wie er vor dem Krieg üblich gewesen wäre. Also ging der Koloss am Donnerstag, 7. Juli, doch noch komplett in einem Stück auf die lange Reise – begleitet lediglich vom Fahrer der Spedition.

Schon bei seiner Abreise im Saarland war klar, dass er eine ganze Weile unterwegs sein würde – denn am einzigen geeigneten Lkw-Grenzübergang von Polen in die Ukraine stauten sich zu diesem Zeitpunkt die Lkw auf rund 40 Kilometern.

Brück sollte die zusätzlichen medizinischen Hilfsgüter im Alleingang in einem Kleinlaster nach Kowel transportieren und später dort helfen, das Aggregat zu installieren. Weil sie wusste, dass der Lkw tagelang im Stau stehen würde, fuhr Brück erst am Sonntag, 10. Juli, los – und nahm außerdem einen anderen Grenzübergang.

Ukrainische Kontaktleute mussten sie an der Grenze abholen und sie nachts rund 150 km durch zahlreiche Checkpoints bis nach Kowel lotsen – denn in der Ukraine sind alle Straßenschilder übermalt und die Straßenbeleuchtung wird nicht mehr eingeschaltet.

Nach 31 Stunden Fahrt kam Brück schließlich am Montag, 11. Juli, kurz vor Mitternacht in Kowel an – noch drei Tage vor dem Aggregat.

Brück nutzte diese Zeit, um sich in der Stadt umzusehen und über die Lage zu informieren. Sie stellte fest: Immer wieder fallen Strom und Wasser aus.

Im Park gibt es die Möglichkeit, das Schießen zu lernen – dort herrscht ständig Andrang. Viele Kriegsverletzte, die sich in der Stadt auskurieren, haben nur einen Gedanken: Zurück an die Front. Sie nennen Putin einen Terroristen, der Kinder töten und Frauen vergewaltigen lässt, der Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Wohnhäuser zerstören und zahllose Ukrainerinnen und Ukrainer in Umerziehungslager sperren lässt.

Die Behörden haben inzwischen viele behinderte Menschen nach Kowel gebracht – in der Hoffnung, sie dort besser schützen zu können, als in anderen Städten. Allerdings hat die kleine Stadt nicht die Infrastruktur und nicht genug Geld, um so viele Menschen optimal zu versorgen.

Auch einige Kinder sind nach Kowel zurückgekehrt, sie spielen Krieg, singen Kriegslieder, „schießen“ mit Regenschirmen oder anderen Gegenständen auf einen imaginären Feind und rufen dabei „Putin“. In der ganzen Stadt sind keine russischen Waren mehr zu sehen, nichts mehr, was irgendwie an Russland erinnern könnte.

Bei den häufigen Luftalarmen bleiben die Leute auf der Straße stehen und schauen in den Himmel. Brücks Verbindungsmann in Kowel, Alexander Buxmann, erklärte ihr: „Die Raketen kannst du kommen sehen, und dann hast du noch kurz Zeit zu fliehen.“

Am Donnerstag, 14. Juli, traf der Lkw mit dem Notstrom-Aggregat schließlich doch noch ein. Die Stadtverwaltung organisierte einen Gabelstapler, der stark genug war, den Koloss von der Ladefläche zu hieven. Brück und Buxmann installierten das Aggregat – während eines Luftalarmes.

Jetzt hat Kowel eine Angst weniger. Wenn die Stromversorgung ausfällt, wird das Aggregat dafür sorgen, dass trotzdem weiter Wasser fließt.

 Alexander Solovyanchuk und Yve Brück im April in einem Schützengraben bei Kowel.

Alexander Solovyanchuk und Yve Brück im April in einem Schützengraben bei Kowel.

Foto: Yve Brück

Kontakt zum Verein „Help 4 Ukraine“ über Tel. (0151) 12 44 48 30.

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