So kann’s gehen Zum runden Geburtstag ein Lazarett

Warum hat mich denn keiner gewarnt, was da auf mich zukommt?

Zum runden Geburtstag ein Lazarett: Salben, Mullbinden
Foto: SZ/Robby Lorenz

Gerade noch haben wir ein rauschendes Geburtstagsfest gefeiert. Bis tief in die Nacht. Mit Freunden. So wie früher, als wir noch Jugendliche waren. Wir stießen wie einst mit Eltern-sind-nicht-da-Bowle an: ein zielerfüllender Cocktail aus süßklebrigem Sekt und undefinierbaren Starkalkoholika-Mixgetränken – so bunt, dass sie im Dunkeln leuchten. Dazu aus dem Vorratskeller Dosenfrüchte samt Lake. Das Ganze in einer monströsen Blumenvase angerührt.

Zu vorgerückter Stunde kramten wir musikalische Leichen aus dem Keller hervor. Saßen plötzlich auf dem Boden, um uns herum zahllose Schallplattenhüllen. Wie bei Dieter Thomas Hecks Schnelldurchlauf rotierte eine Scheibe nach der anderen auf dem Teller. Spät in der Nacht sang der hart gesottene Heavy-Metal-Freak beim orchestral begleiteten Schmachtfetzen „So lang’ man Träume noch leben kann“ bis zum Schlussakkord textsicher mit. Theatralisches Geigengefiedel im Hintergrund. Und all das wollte kein Ende nehmen: Es war die Maxi-Version von 1987. Knapp sieben Minuten. Mir war nicht klar, dass einer allein dreistimmig singen kann.

Am Tag nach dem 50. Geburtstag meiner besseren Hälfte war schlagartig alles anders. Nichts mehr zu spüren von jugendlicher Ausgelassenheit. Kein Hauch mehr von unbekümmertem Dasein. Stattdessen zog sich ein qualvolles Jammern durchs Haus. Ein Stöhnen und Ächzen. Es waren nicht die Nachwehen einer durchzechten Nacht. Rings um mich herum lungerten diverse Arzneien. Eine riesige Salbentube auf dem Küchenbord, eine Mega-Dose Magenpillen auf dem Waschbecken im Bad, ein Dutzend Mullbinden im Wohnzimmer auf dem Sofa. Medizin, die ich bis dahin bei uns noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Erst recht nicht in diesen horrenden Mengen.

Dazwischen ein Häufchen Elend. Ein Mensch, der unentwegt stöhnte, als habe er das Leiden höchstselbst erfunden. Er zeigte mir diverse Ausschläge auf der Haut. Und sein Hals täte weh. Zudem sei es ihm schwindelig. Er bleibe heute im Bett. Das Wetter setze ihm zusätzlich bei. Klimafühligkeit hatte ich zuletzt von meiner Oma vernommen.

Ich war völlig ratlos, rief in meiner Not eine Freundin an. Schilderte ihr mein Dilemma, in dem ich so noch nie zuvor gesteckt hatte. „Find dich damit ab. Das ist so, wenn man älter wird. Dann setzen die Wehwehchen ein“, ihre wenig tröstenden Worte. Entsetzt entgegnete ich: „Und das über Nacht? Hättest Du mich nicht wenigstens vorwarnen können!“

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