Zwischen Euphrat und Tigris Zu Besuch beim Orientkenner Harald Klein alias Ari Tur

Quierschied · Von Anja Kernig

 Impression von einer szenischen Lesung mit Ari Tur/Harald Klein (l.) und Mwoloud Daoud bei den „Interkulturellen Wochen“ 2017.    

Impression von einer szenischen Lesung mit Ari Tur/Harald Klein (l.) und Mwoloud Daoud bei den „Interkulturellen Wochen“ 2017.   

Foto: Astrid Karger

Früh hört Ari Tur gern Jazz. Flötenkonzerte oder Arien gehen dagegen gar nicht. Das sollte man den Kulturradio-Leuten unbedingt mal sagen: „Holt mich ab und bringt mich in den Tag“, das schon, aber bitte „mit entspannter Musik“.

Irrtum, da spricht gar nicht Ari Tur, sondern sein Alter Ego Harald Klein. Der Ex-Radiomann — er ging 2014 in den Ruhestand, war Sachgebietsleiter beim Saarländischen Rundfunk unter anderem für das Halberg Open Air zuständig – pflegt immer noch eine besondere Beziehung zum Hörfunk.

Für Ari Tur wäre das Zauberei: Stimmen, die aus Kästen kommen. 1200 Jahre vor Christus ein Unding, selbst in einer so fortschrittlichen Kultur wie der des alten Orients. Die hat es Klein angetan, die treibt ihn um: heute wie damals in den 1970er Jahren, als er Archäologie studierte. 17 Jahre lang lebte der gebürtige Quierschieder bis zu drei Monate pro Jahr zwischen Euphrat und Tigris, um Relikte der alten Kultur für die Nachwelt zu sichern. Mit der Zeit entstand um die Ausgrabungsstätte herum ein kleines Dorf. „Wir haben es sogar geschafft, Bäume zu pflanzen und großzuziehen, mitten in der Wüste.“ Nach gezielten Angriffen der Terrormiliz Islamischer Staat ist davon außer Trümmern und Baumleichen nichts mehr übrig.

Dass Klein sich als Autor Ari Tur nennt, hat seinen Ursprung dort in Syrien: Für die Beduinen war er „Ari“. „Das weiche „H“ konnten sie nicht aussprechen“, es glich mehr einem kratzigen „Ch“, erzählt der Autor beim Besuch in seinem Haus. Dort fängt der Tag trotz Rente erstaunlich früh an: Viertel vor sechs steht Klein auf, um mit seiner Frau, die in einer Klinik psychosomatische Patienten betreut, zu frühstücken. Dann steht schon Schnuffi bereit, Leine bei Fuß, für das erste Gassi des Tages. „Unterwegs im Wald kommen mir oft tolle Ideen.“ Hunde gehören seit jeher zum Haushalt der Kleins. Vor dem rumänischen „Findelkind“, das sie über die Organisation „Tiere in Not“ vermittelt bekamen, wachte hier ein echter syrischer Beduinenhund.

Spätestens halb zehn sitzt Herrchen in seinem Büro im oberen Stockwerk, das musealen Charakter hat. Vom Dolch über diverse Tontafeln, Scherben und andere Ausgrabungsstücke reicht das Inventar, eine in Alkohol eingelegte Viper erinnert an die Gefahren in der Wüste. Er schreibe ziemlich diszipliniert, sagt Klein, meist bis 15 Uhr durch am Stück. Und wenn es gut läuft, abends noch mal zwei, drei Stunden bis 23 Uhr. Die Inspirationsquelle für seine zwar fiktiven, aber immer an realen Namen und Personen aufgehangenen dokumentarischen Romane bilden Tontafeln, Vorgänger unserer Bücher. 500 hat er jetzt wieder gesichtet, 200 ausgewertet. Durch einen „witzigen Zufall“ hat er auf so einer kleinen Tonplatte sogar mal ein völlig neues Wort entdeckt: „Gewandnadel‘“ nämlich, das war der Forschung bis dato unbekannt.

Klein, der im Übrigen auch Rockmusik mag („alles, was richtig Krach macht: von Led Zeppelin bis Metallica“) und schnelle Autos (in der Garage steht ein Nissan 370 GT, brillant white), ist ein Geschichtenerzähler par exzellence. Egal ob er von Löwen, Straußen und Elefanten erzählt, die es früher tatsächlich in der heutigen Wüste Syriens gegeben hat, oder dass Bier dort ein Lebensmittel war oder von Spezialsalben für Pferde, die wahre Wunder vollbracht haben sollen – man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Seine Lesungen würden locker als archäologische Vorlesungen durchgehen. Selbst beurteilen kann man das am kommenden Freitag, 8. Dezember. Dann stellt Harald Klein seine beiden neuen Bände „Der Pferdedämon“ und „Die Elamische Schlange“ in der Q.lisse in Quierschied der Öffentlichkeit vor.

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