Theater Was Zuhause für Migranten bedeuten kann

Saarbrücken · Von Nicole Burkhardt

Ein helles Tuch ist das einzige Requisit im kargen Bühnenbild am Mittwochabend im Theatersaal der Universität des Saarlandes. Viel mehr verändert sich nicht an der Kulisse im Laufe des 80-minütigen Theaterstückes „El viaje de los cantores“ (Die Reise der Sänger) von Hugo Salcedo. Ungewöhnlich, vor allem, wenn man die sonst sehr bunten und aufwändig gestalteten Bühnenelemente und Theaterstücke von Los Mutantes kennt. An diesem Abend zeigte sich die spanischsprachige Theatergruppe der Universität des Saarlandes von einer neuen Seite. Mit einer Ernsthaftigkeit und Authentizität, die das Publikum überraschte.

Cecilia Paladines, Sebastian Herzovich Lorberbaum und Atl Marsch Martinez übernahmen die Regie und brachten damit ihre ganz eigenen Gedanken, Texte und Ideen zum Ausdruck, die sie mit dem Thema Migration verbinden, auch wenn sie sich mit dem Stück an der Vorlage von Salcedo orientierten. Denn alle drei sind nicht in Deutschland geboren, aber bereits seit vielen Jahren in Deutschland zuhause. Die Frage „Wo gehen wir hin, wenn wir nach Hause gehen?“, die Atl zu Beginn stellt, ist eine Frage, die alle im Raum verbindet und auf die es meist nicht eine einzige Antwort gibt. In den verschiedenen Szenen zeigt sich, wie unterschiedlich sich das Verlassen des Zuhauses, das Verlassen werden, Verluste oder Verbindungen auswirken können, so wie es wahrscheinlich alle auf der Bühne schon einmal erlebt haben.

Hildaura (Alisa Aldinger) möchte ihre Familie verlassen, unabhängig sein, ihre Unentschlossenheit steht diesen Gefühlen gegenüber. Ein Zwiespalt zwischen Stärke und Zerbrechlichkeit, den die Schauspielerin brillant vermitteln kann. Der angsterfüllte Jesús (Camilo Barrero) möchte über die Grenze flüchten, eine junge Frau (María Fernanda Palacios) wird vom Vater ihres ungeborenen Kindes alleine gelassen, und eine alte Frau trauert um den Verlust ihres Enkels. Eingerahmt sind die Szenen von simplen Klängen auf der Mundharmonika und Trommeln auf Kartons. Das Thema erregt zu genüge, nichts soll ablenken von den bewegenden Monologen, wie zum Beispiel Omar Andres Alejo Rodriguez einen hält, er ist nicht der einzige mit Tränen in den Augen. Mit dem Tuch spielt er in der Hand als einziges Symbol sowohl für Geburt, genauso wie für Tod, für Verlust und für einen Neuanfang. Am Ende bleiben ein nachdenkliches Publikum und erschöpfte Schauspieler, viele Gedanken und Gespräche. „Wir möchten euch berühren“, sagt Cecilia Paladines zum Abschied, und das ist ihnen an diesem Abend gelungen.

Weitere Vorstellung beim GrAFiTi-Festival in Luxemburg am 18. Mai.

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