Szenische Lesung Immer noch schambesetzt und peinlich?

Saarbrücken · Drei Frauen und ein Mann inszenieren die „Vagina Monologe“ von Eve Ensler – und erleben schon im Vorfeld, dass die weibliche Sexualität immer noch ein Tabu ist.

 Sie lassen die Vagina zu Wort kommen: Simone Hoffmann, Eveline Sebaa und Bérengère Brulebois (von links).

Sie lassen die Vagina zu Wort kommen: Simone Hoffmann, Eveline Sebaa und Bérengère Brulebois (von links).

Foto: Kerstin KRämer/Kerstin Krämer

„Wie duftet Deine Vagina? Was würde sie anziehen? Und wenn sie sprechen könnte, was würde sie sagen?“ Mit einem ganzen Katalog solcher Fragen brachte die Amerikanerin Eve Ensler Mitte der 90er-Jahre rund 200 Frauen, vom Mädchen bis zur Seniorin, zum Reden und verfasste danach ihre „Vagina Monologe“: Einige Texte spiegeln die Interviews fast wörtlich, andere wurden aus verschiedenen Antworten komponiert, und bei wieder anderen ließ Ensler sich vom Kern der Aussagen inspirieren.

Das Ergebnis ist keine Anklageschrift, sondern eine humorvolle Anregung zur Selbsterfahrung und zur Selbsterkenntnis – klug, liebevoll, mitunter sehr komisch, aber zugleich drastisch, in seiner Ausdrucksweise schonungslos konkret und für manche(n) wohl auch schockierend.

Denn da geht’s nicht nur um die Erkundung des eigenen Körpers und das Einfordern von Bedürfnissen, sondern auch um sexuelle Übergriffe – Ensler selbst wurde jahrelang vom eigenen Vater missbraucht. 1996 lief die Uraufführung in einem Off-Broadway-Theatre und löste entsprechende Aufregung aus.

Jetzt hat sich ein freies Ensemble der Monologe angenommen und bringt sie zunächst als Lesung und anschließend als Inszenierung heraus – und das eben nicht exponiert auf einer Theaterbühne, sondern an anderen Kulturorten, sozusagen mittendrin in der Gesellschaft: „Wir möchten einen Dialog eröffnen“, sagt Regisseurin Eveline Sebaa, die selbst auch lesen, spielen, singen und tanzen wird. Partner sind die FrauenGenderBibliothek Saar und die Stadtgalerie, letztere unter ihrer derzeitigen Leiterin Andrea Jahn bekanntlich ebenfalls ein Stützpunkt für Frauenthemen.

Warum die Monologe, warum jetzt? Weil man heute, immerhin ein Vierteljahrhundert nach der Premiere, feststellen müsse, dass die Diskussion über Weiblichkeit, männliche Dominanz und Gewalt nichts von ihrer Aktualität verloren habe, im Gegenteil: Den Monologen hafte immer noch etwas Skandalöses an, und die MeToo-Debatte habe ihnen neue Brisanz verliehen, meinen Sebaa und ihre beiden Mitstreiterinnen Simone Hoffmann und Bérengère Brulebois. Die drei kennen sich unter anderem von der Frauentheatergruppe „ElleGanz“, wo Sebaa seit 2017 Regie führt.

Zustimmung und maskuline Verstärkung kommt von Krischan Kriesten, der, quasi als Quotenmann, die mediale Illustrierung übernimmt – erstmals arbeiten die vier nun zusammen. Sebaa möchte „moderne Amazonen“ inszenieren, die „keine Angst vor einer konstruktiven Auseinandersetzung haben“ – man darf gespannt sein, was Kriesten dazu an Bildern und Sounds einfallen wird.

Vervollständigt wird das Team durch Produktionsassistentin Heike Herrmann und den Rüden Jimmy, der bei den Proben (angeblich) souffliert. Tatsächlich scheint der knuffige Zwerg eher das Einhalten der Pausen zu überwachen.

Wie werden Frauen gehört, wenn sie denn mal laut werden? Es sei immer noch ein schambesetztes Tabuthema, sagt Sebaa: „Entweder verstummt man oder macht seichte Witze, oder man schiebt es in die Feminismus-Ecke.“ Wie schnell sogar andere Frauen bei dem Thema „dicht machen“, merkte das Team im persönlichen Umfeld: an den betretenen, pikierten bis offen entsetzten Reaktionen von Freundinnen, Müttern, Schwestern und Kolleginnen. Alles moderne, gestandene, Frauen, aber auf die Ankündigung „Wir machen die Vagina Monologe!“ sei mehrheitlich Panik ausgebrochen, berichten die drei.

Da wirke ein Konglomerat aus Erziehung, überholten Rollenzuschreibungen, religiösen Altlasten – und vielleicht habe es auch damit zu tun, dass weibliche Sexualität verborgener, weniger sichtbar sei als männliche, vermutet Sebaa. Was wissen Frauen selbst über die Anatomie ihres Geschlechtsorgans? Erstmals, erzählt Bérengère Brulebois, sei nun in französischen Biologie-Schulbüchern die Klitoris in ihrer vollen V-Form und stattlichen Größe abgebildet worden. Und was passierte? Eltern (ja, auch Mütter!) liefen Sturm gegen die korrekte Darstellung. Offenbar sei es peinlich, mache irgendwie Angst – aber warum?

Gleichzeitig habe sie den Eindruck, dass Frauen heute mehr denn je auf ihr Äußeres reduziert würden, seufzt Simone Hoffmann. Ist nicht das der eigentliche Skandal – und nicht das Drüber-Reden? Hier wird darüber geredet: Für ein Nachgespräch wurde der Verein (I)ntact gewonnen, der sich seit Jahren gegen weibliche Genital-Verstümmelung engagiert – ihm spendet das Ensemble die Hälfte der Eintrittsgelder.

Nachdenklich stimmt auch, dass die Produktion zwar eine Förderung vom Kultusministerium bekam, aber ausgerechnet das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie nicht einmal reagiert habe, so Sebaa. „Warum lassen Frauen das immer noch mit sich machen?“, fragt kopfschüttelnd Kriesten, neben Hund Jimmy der einzige und beeindruckend entspannte Kerl der Truppe. „Man sollte die Monologe viel öfter zeigen“, findet er. „Auch in Schulen. Oberstufenprogramm!“

 Eine Probenszene mit Licht-Regie. Die „Vagina Monologe“ sollen auch optisch gestaltet werden. 

Eine Probenszene mit Licht-Regie. Die „Vagina Monologe“ sollen auch optisch gestaltet werden. 

Foto: FrauenGenderBibliothek Saar/K. Kriesten

Die Lesung aus den „Vagina Monologen“ ist am Freitag, 7. Februar, 19 Uhr, in der FrauenGenderBibliothek in der Großherzog-Friedrich-Straße 111.
Die inszenierte Version ist am Freitag und Samstag, 14., 15. Februar, 19 Uhr, in der Stadtgalerie zu sehen. Karten: Tel. (06 81) 938 80 23.

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