Festival Johannes Brahms trifft auf Theodor Storm

Saarbrücken · Seit 30 Jahren organisiert und kuratiert Thomas Altpeter die „Saarbrücker Sommermusik“. Auch heute noch verspürt er Nervenkitzel.

 Thomas Altpeter  in der Schinkelkirche Bischmisheim

Thomas Altpeter in der Schinkelkirche Bischmisheim

Foto: Oliver Dietze

„Vernehmlich werden die Stimmen, die über der Tiefe sind“, heißt ein Zitat des Dichters Theodor Storm – es dient als Motto der „Saarbrücker Sommermusik 2019“. Theodor Storm (1817 bis 1888) und der Komponist Johannes Brahms (1833 bis 1897) bilden zusammen die thematische Doppelspitze des traditionsreichen Festivals, das vom 26. Juli bis 29. September mit 36 eintrittsfreien Terminen fernab des Mainstreams das Saarbrücker Kulturleben bereichern will. Wir sprachen mit dem Sommermusik-Chef Thomas Altpeter vom Saarbrücker Kulturamt.

Herr Altpeter, seit den Anfangstagen vor mehr als drei Jahrzehnten organisieren und kuratieren Sie alle Jahre wieder die „Saarbrücker Sommermusik“. Wie fühlt sich das heute an, ist noch Nervenkitzel zu spüren?

Thomas Altpeter: Natürlich! Nervenkitzel ist immer dabei. Da mischen sich Vorfreude auf die schönen Konzerte und andererseits eine gewisse Beunruhigung, ob alles reibungslos abläuft, die Zuschauer den Weg zu uns finden usw.

Mit welcher speziellen Thematik gedenken Sie die Sommermusik-Gemeinde diesmal zu erfreuen?

Altpeter: Wir verbinden ja stets literarische mit musikalischen Themen. In diesem Jahr stehen der Dichter Theodor Storm im Fokus und der Komponist Johannes Brahms. Auch aus der Umgebung des letzteren, etwa von Dvorak oder dem Ehepaar Schumann, wird Musik zu hören sein. Die „Brahms-Antipoden“, etwa Liszt oder Hugo Wolf, wollen wir ebenfalls berücksichtigen. Außerdem werden Komponisten der Zeit zu hören sein, welche weniger bekannt sind. Man kann Entdeckungen machen. Das übergreifende philosophische Thema ist Abschied, Resignation, Melancholie.

Anstatt Theodor Storm hätte Ihre Wahl auch auf dessen Zeitgenossen und Namensvetter Theodor Fontane fallen können, gleichfalls dem Realismus zuzurechnen und obendrein mit Storm in regem Briefkontakt.

Altpeter: Tatsächlich war ich zunächst unentschlossen, ob ich Fontane oder Storm nehmen soll. Aber dann erschien mir Fontane ein wenig zu selbstsicher. Bei Storm überwiegt meines Erachtens das Melancholische und Zweiflerische. Es gibt bei ihm auch dunklere, ja sogar phantastische Aspekte, die wieder mehr in die Romantik verweisen. Außerdem nimmt bei ihm das Lyrische größeren Raum ein als bei Fontane. Das passt alles besser zu Brahms.

Johannes Brahms ist einer Ihrer Leib-und-Magen-Komponisten. Warum füllt er ganz besonders die diesjährige Sommermusik-Thematik aus?

Altpeter: Ich liebe diese Musik. Sie ist immer von Schwermut erfüllt. Um über die Gründe zu spekulieren, würde dieses Gespräch nicht ausreichen. Da spielt viel Psychologisches und biografisch Intendiertes hinein. Er war ein Vollender, im Gegensatz zu Wagner, dem Revolutionär. Man spürt in seiner Musik, dass die klassisch-romantische Formensprache zu einem Höhepunkt und ihr Absolutheitsanspruch zu einem Ende kommen. Mit Wagners Erneuerungen wird alles völlig anders werden. Es ist auch eine gewisse Trauer über eine gewesene Welt in seinem Werk. Es ist Herbst. Und welch ein farbensprühender!

Rücken Sie in langer Sommermusik-Tradition außerdem wieder eine Instrumentenfamilie in den Fokus?

Altpeter: Diesmal sind es Streicher. Unter anderem wollen wir einige von Brahms selbst verfasste Streicherbearbeitungen des Klarinettenparts in seiner letzten wunderbaren Kammermusik zeigen, und wir demonstrieren den Einsatz von Streichern im Jazz.

Eine besondere Qualität des Festivals ist das Genre-Übergreifende – so gibt’s auch Jazz. Welche Jazz-Ensembles sind diesmal neu dabei?

Altpeter: Erstmals dabei ist beispielsweise Marius Buck mit seinen selbst entworfenen Streichinstrumenten: Klänge, die sich zwischen Jazz und improvisierter Musik bewegen. Ich freue mich auch auf den Geiger Christoph Irmer.

Und welche Klassik-Künstler können wir als Sommermusik-Debütanten kennenlernen?

Altpeter: Das Kubus-Streichquartett aus der Schweiz, das Ensemble „Brahms pur“, das litauische Duo Gudinaite-Kasperavicius und viele andere.

Ein erfreulicher Verdienst Ihres Festivals ist außerdem das Miteinander regionaler und auswärtiger Künstler.

Altpeter: Nehmen wir mal den Jazz. Hier arbeiten Kirsti Alho und ihr Ensemble mit der Luxemburger Sängerin Sascha Ley zusammen. Sie haben Storm-Gedichte vertont. Im Zusammenhang Ihrer Frage ist das Konzert „Horntrios“ erwähnenswert, bei dem der Saarbrücker Komponist Jakob Raab zusammen mit Musikern aus verschiedenen Regionen sowohl sein eigenes Horntrio in Uraufführung präsentieren wird, wie jenes von Johannes Brahms.

Wie hoch ist aktuell Ihr Etat städtischer Zuschüsse?

Altpeter: Kann ich gar nicht so genau beantworten, da die Sommermusik neben Gastkonzerten, die aus dem Veranstaltungsetat kommen, auch von Produktionen der Freien Szene bespielt wird, deren Zuschüsse man nicht so einfach umrechnen kann. Der städtische Etat sieht 18 500 Euro vor.

Wie kann man mit so einem bescheidenen Etat ein derart umfangreiches Festival gestalten?

Altpeter: Darüber wundere ich mich selbst am meisten. Das geht nur mit einem schlanken Personalaufwand. Vor allem ist es aber das Verdienst der vielen einheimischen und auswärtigen Musiker, für welche die Sommermusik ein ganz besonderes Festival ist, in das sie sich stets ganz engagiert einbringen und die nicht in erster Linie auf große Gagen schauen

Nun ist die Sommermusik nicht zuletzt ein wichtiges Festival für Kammermusik. Ganz aktuell denkt man in dem Zusammenhang an das Aus der gleichfalls verdienstvollen „Saarbrücker Kammerkonzerte“ nach der Saison 2018/19 – die Konzertreihe wurde ebenfalls von der Stadt gefördert. Dürfen Sie nun künftig mit zusätzlichen, frei werdenden Geldern rechnen?

Altpeter: Das Ende der Kammermusikreihe ist sehr bedauerlich. Die Sommermusik nun ist zwar das größte Festival für Kammermusik in unserer Region, aber eben nicht nur ein Kammermusikfestival. Eventuell frei gewordene Mittel werden sicherlich im Kulturhaushalt erhalten bleiben. Über die Verwendung müssen andere entscheiden.

Die Saarbrücker Sommermusik ist untrennbar mit dem Namen Thomas Altpeter verbunden – wie lange gedenken Sie das Festival noch zu stemmen?

Altpeter: Wie Sie bereits anfangs sagten, gibt es die Sommermusik seit über 30 Jahren und immer von mir kuratiert. Dass wir in dieser Zeit einen Austausch von regionalen, überregionalen und internationalen Ensembles realisieren konnten und mit anspruchsvollen Konzerten und nachdenklichen, manchmal sperrigen Veranstaltungen ein großes Publikum gefunden haben, das bereit war und hoffentlich ist, auch mal tiefer zu schürfen, freut mich sehr. Dass sich so eine große Gemeinde für Kammermusik und auch Neue Musik interessiert, ist keineswegs selbstverständlich. Besonders freue ich mich, dass die Sommermusik zu vielen Produktionen der Freien Szene angeregt hat. Diese wäre ohne das Festival sicher nicht so vielfältig, wie sie heute ist. Aber die Kulturszene im Saarland und in Saarbrücken ist, wie alles, im Wandel. Auch in der aktuellen Ausgabe des Festivals haben wir einige Neuerungen eingebracht. Wir haben etwa die Gagen etwas erhöht und dafür die Anzahl der Konzerte moderat reduziert. Und irgendwann werde auch ich mich zurückziehen. Ich bin zuversichtlich, dass dann jemand anderes das Festival stemmen wird. Anders wahrscheinlich, aber dafür nicht schlechter. „Am Grunde der Moldau, da wandern die Steine…“ - Kopf hoch! Jetzt kommt erstmal eine Reihe schöner Konzerte.

Start der Saarbrücker Sommermusik: Freitag, 26. Juli, 20 Uhr, Schinkelkirche Bischmisheim: Ensemble Unterwegs („So war es immer schon“). Eintritt frei.

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