Podiumsdiskussion Täter waren früher meist selbst Opfer

Saarbrücken · Schüler und Experten diskutieren im Gymnasium am Rotenbühl über Jugendkriminalität und Prävention.

 Schüler der Klassen 9 und 10 des Gymnasiums am Rotenbühl debattierten über Jugendkriminalität.

Schüler der Klassen 9 und 10 des Gymnasiums am Rotenbühl debattierten über Jugendkriminalität.

Foto: Iris Maria Maurer

 Gewalt, Drogen, Jugendkriminalität – Schlagwörter, die man nicht unbedingt mit Gymnasien in Verbindung bringt. Nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis: Während erweiterte Realschulen jeweils einen eigenen Sozialarbeiter haben, gibt es für Gymnasien nur halbe Stellen, ein Sozialarbeiter betreut mehrere Schulen. „Die Schüler kommen oft aus einem behüteten Elternhaus, sie bilden eine privilegierte Gruppe“, erklärt Guido Britz, Professor für Strafrecht an der Universität des Saarlandes. Und doch fand gerade am Gymnasium am Rotenbühl am vergangenen Mittwoch eine Podiumsdiskussion zum Thema „Jugendkriminalität und Prävention“ statt. Eine Idee der „AG Prävention“ – ein Zusammenschluss aus Lehrern, Schülern und Eltern mit dem Anspruch, „ein faires, gewaltfreies und konstruktives Miteinander zu schaffen“.

Neben Guido Britz nahmen Judith Koblé, Sozialarbeiterin des Gymnasiums am Rotenbühl, Nicole Frank vom Landespolizeipräsidium (Bereich Jugendkriminalität) und Steffen Schroeder, Autor und Vertreter des Weißen Rings, als Experten an der Diskussion teil. Schülersprecher Hannes Hofer moderierte die Gesprächsrunde und diente vor allem den Schülern als Sprachrohr. Denen scheint vor allem eine Frage unter den Nägeln zu brennen: Wie entsteht Kriminalität?

Bereits beim Wort Kriminalität kommt Guido Britz ins Stolpern. Er zieht den Begriff „abweichendes Verhalten“ vor. Denn das, was als kriminell gilt, unterliegt immer einem gewissen „Zuschreibungsprozess“. Kriminelles Verhalten gehöre bis zu einem gewissen Grad dazu, schließlich kenne niemand das Gesetzbuch auswendig, betont Britz. „Eine Gesellschaft, die keine Kriminalität kennt, ist krank“, erklärt er weiter.

Die Frage ist allerdings, wie man mit diesen Abweichungen umgeht und wo die Grundorientierung liegt. In einem Punkt sind sich die Experten allerdings einig: Kinder werden meist in Gewalt hineingeboren. „Gewalttäter sind fast alle als Opfer ins Leben gestartet“, sagt Steffen Schroeder. Auch wenn das natürlich keine Rechtfertigung sei, müsse man sich diese Zusammenhänge dringlichst bewusst machen.

Wenn die Familie als sicherer Hafen versagt, sind Betroffene auf fremde Hilfe angewiesen, seien es nun Freunde, bestimmte Anlaufstellen oder eben auch Lehrer. Daher fragt Schülersprecher Hannes Hofer die Lehrer ganz direkt, ob diese überhaupt die Zeit und den Raum haben, um von Problemen im Elternhaus ihrer Schüler zu erfahren. Ein bitterer Beigeschmack begleitet die Antwort: Im regelrechten „Rumgehetze“ zwischen den Stunden fehlt schlichtweg die Zeit für solche Vertrauensmomente. Viele von ihnen wünschen sich eine Art „Bereitschaftsstunde“, ausschließlich für solche Belange. Umso wichtiger ist es nach Auffassung der Experten, dass auch die Schüler selbst aufmerksam sind, Zivilcourage, Verantwortung und Respekt zeigen, einander zuhören und füreinander da sind.

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