Premiere von „Nema problema“ in der Kettenfabrik Ein wuchtiger Text mit bedrückender Aktualität

Saarbrücken · „Nema problema“, kein Problem, ist ein starkes Stück der italienischen Autorin Laura Forti. Der Schauspieler Sebastian Müller-Bech bringt es auf die Bühne und zeigt einen Mann, den die Gräuel des Krieges gebrochen haben. Aber etwas mehr Regie hätte dem Ganzen besser getan.

 Sebastian Müller-Bech und Wollie Kaiser am Baritonsaxofon sind beide Sinan.

Sebastian Müller-Bech und Wollie Kaiser am Baritonsaxofon sind beide Sinan.

Foto: Krämer/KERSTIN KRAEMER

Am Ende steht Sebastian Müller-Bech auf der Bühne und erzählt, wie schwer es ihm falle, nach diesem Stück nochmal raus zu kommen und sich seinen Applaus abzuholen. Man kann es nachvollziehen: Während der Vorstellung waren im Publikum ständig erstickte Seufzer zu hören – wenn es einen schon so hart ankommt, die geschilderten Gräuel nur anzuhören, wie fordernd mag es dann erst sein, mental darin abzutauchen und davon zu erzählen?

Am Sonntag hatte in der St. Arnualer Kettenfabrik das Schauspiel „Nema Problema“ der italienischen Autorin Laura Forti Premiere. Bewusst hatten sich die Beteiligten für die deutsche Erstaufführung keinen typischen Musentempel, sondern einen realistischen Theater-Unort ausgewählt – mit naturbelassener Kulisse, ohne Schnickschnack.

Denn der dramatische Monolog, genau genommen ein Zwei-Personen-Stück für einen Schauspieler und einen Musiker, schleudert einen mit Wucht in die harte Realität: Vor dem Hintergrund des Jugoslawienkriegs schildert er die Deformation eines Menschen durch den Krieg – exemplarisch und zugleich universal, zumal das Stück durch die Geschehnisse in der Ukraine eine erschreckend zeitlose Aktualität bekommt.

Denn im Grunde ist es egal, wo und warum ein Krieg wütet: Was er mit den Menschen anrichtet, die als Opfer und/oder Täter davon betroffen sind, ist existenziell, das vermittelt das Stück eindringlich.

Müller-Bech schlüpft hier in die Haut des italienischen Kriegsveteranen Sinan, der sich und die Zuschauer mittels erzählter Rückblende ins Jahr 1992 katapultiert. Da ist Sinan 23 Jahre alt; ein Jazzfan, der Charlie Parker verehrt, selbst Saxofon spielt und von einer Karriere als Fotograf träumt. Naiv und abenteuerlustig bricht er mit einem Freund nach Zagreb auf, um seine kroatischen Großeltern mütterlicherseits aus dem Krisengebiet zu retten – und fühlt sich dabei wie Robert Capa, weil er das Unterfangen mit der Kamera dokumentieren will.

Doch Sinan darf seine Großeltern nur rausholen, wenn er mitkämpft. Er willigt ein und ist plötzlich mittendrin in der Hölle: Sinan erlebt grauenhafte Angriffe, Gemetzel und Hinrichtungen, wird selbst zum Mörder und muss erfahren, wie gefühlstaub all das machen kann. Wieder zuhause, leidet er an den Folgen einer posttraumatischen Belastungsstörung und kann nicht mehr Fuß fassen in seinem alten Leben. Als er nun, 30 Jahre später, endlich darüber spricht, bekennt er gar Sehnsucht nach der Vertrautheit des Krieges.

Bestie Mensch: Es sind fürchterliche Verbrechen und verheerende psychische Folgeschäden, die Laura Forti hier schildert; ohne jegliche Larmoyanz, mit brutal ungeschönten Worten und markigen Sätzen – dieser Text würde einen schon beim bloßen Lesen mitten ins Mark treffen. Leider verspielt die Inszenierung das Potenzial der Vorlage. Dass Müller-Bech sich oft verhaspelt: geschenkt, das Stück ist schließlich allein von der Textmenge her ein Brocken, das Premierenfieber tut ein Übriges. Und dass Sinan so kaputt ist, dass er möglicherweise gar nicht mehr authentisch kommunizieren kann, setzt man voraus.

Aber Müller-Bech nimmt sich selber viel von der möglichen Intensität, indem er bei seinen Gängen durch den Raum manches verschaukelt, wahlweise in Emotionen badet oder sie zu früh zurücknimmt; Aussagen, Blicke und Gesten nicht stehen und wirken lässt. Hier wäre die Regie gefragt (Juliane Lang übernahm von Silvia Bervingas), aber die wirkt einfallslos bis unentschlossen – so werden im Raum etwa verschiedene Schauplätze behauptet, aber nicht konsequent voneinander getrennt.

Dadurch bleibt unklar, in welcher Situation wir uns eigentlich befinden und für wen die Doku-Kamera läuft, in die Sinan gelegentlich hinein spricht, bevor er sich wieder ans Publikum wendet. Auch der Kunstgriff, einen Musiker als Alter Ego Sinans zu installieren, funktioniert nicht wirklich. Auf dem Baritonsax variiert der statisch auf der Bühne positionierte Wollie Kaiser immer wieder den Jazzstandard „Lover Man“, aber es gibt keine Interaktion, lediglich stummes Spiel in Form von Blickkontakt seitens Kaisers – eher ein Nebeneinander statt eines Miteinanders.

Nur wenn Kaiser in freier Improvisation absichtlich an die Grenzen des akustisch Erträglichen geht, ahnen wir, dass er all das vermittelt, was der traumatisierte Sinan mit Worten nicht auszudrücken vermag. Aber dass er ebenfalls Sinan sein soll: Würden wir es ohne Hilfestellung des Programmflyers verstehen?

Nema problema wird noch dreimal in Saarbrücken gespielt, aber diesmal im Garelly-Haus in der Eisenbahnstraße in Alt-Saarbrücken, und zwar am 20. und 26. August, jeweils um 19 Uhr, sowie am 21. August um 18 Uhr. http://www.mueller-bech.de/

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