Privatverschuldung in Saarbrücken Schuldnerberaterin: „Viele wissen gar nicht, wie hoch sie verschuldet sind“

Saarbrücken · Durch Online-Shopping, Online-Kredite und Co. tappen viele Menschen in die Schuldenfalle. Dann bloß nicht warten, bis der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht: Die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des Regionalverbandes Saarbrücken kann vorher helfen.

 Viele Betroffene suchen sich zu spät Hilfe.

Viele Betroffene suchen sich zu spät Hilfe.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Der Bescheid zu Kontopfändung im Briefkasten, die Vermögensschätzung terminiert oder der Gerichtsvollzieher vor der Tür: Viele Betroffene suchen sich erst in diesem Stadium der Verschuldung Hilfe. „Eigentlich ist es dann schon viel zu spät“, verrät Christiane Ensekat. Sie arbeitet bei der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des Regionalverbandes Saarbrücken, einer von sechs Schuldnerberatungsstellen im Stadtverband. Besser wäre es, so Ensekat, frühzeitig zu kommen. Etwa gleich dann, wenn man Forderungen nicht mehr bezahlen kann. „Besser wird es ja oft nicht mehr“, sagt sie, „das ist eine Art Spirale“. Gerade die Anonymität des Internets treibe viele Betroffene in die Verschuldung, so Ensekat.

Durch Online-Shopping, Online-Kredite und Co. tappen viele Menschen in die Schuldenfalle. Die aktuelle Preisentwicklung macht dies zwar noch drängender, im Regelfall bestand die Verschuldung aber schon vorher. „Die Corona-Krise oder die jetzige Energie-Krise werden eigentlich nicht als Grund für die Verschuldung genannt“, verrät Ensekat.So liegen seit Jahren die Beratungen in der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle des Regionalverbandes Saarbrücken auf einem gleichbleibenden Niveau. 2019 gab es 142 Anmeldungen, 2020 140, 2021 116, 2022 105 und in 2023 bis einschließlich April bisher 47 Anmeldungen.

Ähnlich ist es um die Neuanmeldungen von Insolvenzanträgen bestellt, die in der Beratungsstelle ebenfalls betreut werden. 2019 gab es 131 Neuanmeldungen, 2021 114, 2022 125 und 2023 bis einschließlich April bisher 96. Dass das Jahr 2020 mit 81 Anmeldungen etwas aus dem Rahmen fällt, hängt mit der Reform des Insolvenzrechts zum ersten Januar 2021 zusammen.

Beratungsstelle prüft, ob Verschuldungssumme stimmt

Der erste Kontakt mit den Schuldnerberatungsstellen erfolgt im Regelfall über ein Telefonat. Schon dann erfolgt eine grobe Erfassung des Sachverhaltes durch die Berater: Kommt eher eine Schuldner- oder Insolvenzberatung in Frage? Drohen Energiesperren, Geldsperren, Haftbefehle oder gar die Obdachlosigkeit? Muss ein Pfändungsschutzkonto eingerichtet werden? „Solche Fragen zur Notfall-Versorgung klären wir relativ früh im Telefonat“, erklärt Ensekat, „schließlich muss man da schnell aktiv werden und handeln“. Außerdem werden die Schuldner in diesem Erstgespräch über den Ablauf der Schuldnerberatung informiert und ihnen wer-den Ängste genommen. In einem ersten Schritt liegt es dann ihnen, ihre Unterlagen zu ordnen.

„Viele wissen gar nicht, wie hoch sie verschuldet sind“, sagt Ensekat. Nach Sichtung und Sortierung der Unterlagen und dem Erstellen einer Gläubigerliste, wird seitens der Beratungsstelle zunächst einmal die Verschuldungssumme festgestellt und gleichzeitig überprüft, ob diese Summe rechtens ist, ob es etwa Zinsforderungen gibt, die nicht in Ordnung sind. Im nächsten Schritt geht es darum die Frage zu klären, wie eine Entschuldung möglich ist.

Außergerichtlichen Entschuldungen werden schwieriger

Seitens der Schuldnerberatungsstelle analysiert und erörtert man den Schuldnern Einsparungsmöglichkeiten. Ein schwieriger Schritt, weiß Ensekat zu berichten, „man muss die Menschen da schon davon überzeugen, dass es bei einer Entschuldung auch zu Einschnitten in den Lebensverhältnissen kommen muss“. Kann eine bestimmte Summe Geld im Monat aufgebracht werden, wird den Gläubigern ein Schuldenregulierungsplan unterbreitet. „Die Idee ist, dass die Gläubiger so einen Betrag bekommen, den sie sonst niemals sehen würden, dafür aber im Gegenzug auf einen Anteil der Schuldensumme verzichten“, erklärt Ensekat.

In der Realität werden solche außergerichtlichen Entschuldungen immer schwieriger, verrät Ensekat. Forderungen würden immer schneller „tituliert“, das heißt es werden Anwaltskanzleien eingeschaltet oder Vollstreckungsverfahren eingeleitet. Deswegen sei es umso wichtiger, sich frühzeitig Hilfe zu suchen. Falls eine außergerichtliche Regelung nicht mehr möglich ist, bleibt nur noch die Privatinsolvenz. Auch dabei unterstützen die Beratungsstellen.

Alle Beratungsstellen des Regionalverbandes mit den entsprechenden Zuständigkeiten finden Sie unter www.schuldnerberatung-saar.de

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