Die Kunst des Verhandelns Schnäppchenjäger-Latein

Verkaufstaktiken auf Flohmärkten folgen oft einer ganz eigenen Logik und finden in ebenso eigenen Floskeln Ausdruck. Häufig geht es auch völlig ohne Logik; den Floskeln tut das jedoch keinen Abbruch.

Dafür wollt’ ich 30 hann. Wenn Se interessiert sinn, 20.“ Mist. So schnell kann man auf dem Flohmarkt 30 Euro loswerden. Das Modell des 56er Chevrolet Bel Air, nach dessen Preis ich mich gerade erkundigt habe, ist zwar ganz nett, aber auch nicht wirklich unwiderstehlich. Mein Interesse hält sich in Grenzen. In Grenzen, die einen Preisaufschlag von 50 Prozent zur Folge haben. Zwischen den Gesetzen des Marktes und den Gesetzen des Flohmarktes besteht nämlich ein großer Unterschied. Nur hier senkt Nachfrage den Preis, statt ihn zu erhöhen.

Manchmal sinkt der Preis sogar gänzlich ohne marktwirtschaftliche Einflüsse. „Eigentlich wollt’ ich 80 dafür. Für Sie 40“, heißt es an einem anderen Stand, als ich mich für eine alte Hausbar interessiere. Ich fühle mich geehrt. An welchen Kriterien der Verkäufer den Preisnachlass festmacht, ist mir indes schleierhaft. Hält er mich jetzt für einen armen Schlucker, oder bin ich ihm einfach nur sehr sympathisch? Die Fähigkeit, Menschen auf den ersten Blick einschätzen zu können, ist jedenfalls bemerkenswert. Ein Schelm, wer da an die hinterhältigen Rabatt-Taktiken der Kaufhäuser denkt: Preis verdoppeln, dann mit 25 Prozent Rabatt anpreisen, und alle glauben an das große Schnäppchen. Wie auf Kommando schießt er den nächsten äußerst werbewirksamen Satz hinterher: „Das kostet auf Ebay 120.“ Wie schön, dass es noch Gönner gibt, die auf 80 Euro verzichten, nur um den Menschen in ihrer Region ein Schnäppchen zu ermöglichen. Ein paar Stände weiter frage ich nach einem Schiffchen aus Murano-Glas. Die Dame möchte 40 Euro haben. Ich bedanke mich, stelle das Schiff wieder hin und ziehe von dannen. Im Gehen höre ich noch, wie die Dame ihrer Nachbarin berichtet, wie gut ihr Geschäft läuft: „Nach dem Schiff hann schon so viele gefrooht. Ich glaub, ich muss das mal teurer machen.“

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