Mobilität Scheitert die Verkehrswende am Geld?

Saarbrücken · Experten präsentierten zum Start einer Vortragsreihe gute Ideen für die „Stadt von morgen“. 

 Mit einem E-Bike ohne große Anstrengung durch die Stadt zu radeln wird immer beliebter.

Mit einem E-Bike ohne große Anstrengung durch die Stadt zu radeln wird immer beliebter.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Barfuß von der nächsten Bus- oder Saarbahnhaltestelle in die Stadt? Zum Auftakt der neuen Vortragsreihe „Die Stadt von morgen“ in der Saarbrücker Arbeitskammer wagten am Dienstagabend eine junge Besucherin und ihr Begleiter tatsächlich völlig unbeschadet dieses Experiment. In Expertenreferaten ging es an diesem sonnigen Abend drinnen um „Mobilität der Zukunft“. Die ist laut der radelnden Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) dadurch gekennzeichnet, dass Saarbrücken bereits mitten in der Umsetzung des Verkehrsentwicklungsplans 2030 steckt. Eines der Ziele ist weniger Autoverkehr. Wie das gelingen kann und es dennoch mehr „grüne Wellen“ und Parkplätze für die verbleibenden Autos geben könnte, zeigten etliche Beispiele aus anderen Städten.

Nach Saarbrücken strömen derzeit neben Einkäufern und Besuchern täglich 120 000 Pendler, die weitaus meisten davon mit dem Auto. In Spitzenzeiten bilden sich so  lange Schlangen auf der Stadtautobahn oder in der derzeit von Baustellen überhäuften City. „Saarbrücken mehr vom Auto zu entlasten wird keine leichte Aufgabe sein. Aber der ÖPNV ist besser als sein Ruf“, befand Jürgen Meyer, Leiter der Stabsstelle Innovation und Umwelt bei der Arbeitskammer, die die Interessen von 387 000 Arbeitnehmern im Land vertritt. Für Meyer steht fest: „Fahrrad und E-Bike werden an Bedeutung gewinnen.“ Zu Fuß bewegt man sich laut Zahlen des Bundesumweltamts im Schnitt mit etwa vier Kilometer pro Stunde, per Fahrrad mit 15 Stundenkilometern, per Bus und Bahn mit 20 per Pkw mit 24 Stundenkilometern in der Stadt.
Die Planerin und Diplom-Ingenieurin Kristine Brosch berichtete aus Wuppertal. Dort habe die Stadt  mit Hilfe von Spendengeld einen sechs Meter breiten Radverkehrsschnellweg geschaffen. „Heute sind die Bürger dort stolz drauf, obwohl sie früher gesagt haben, Wuppertal und Radfahrer, das geht gar nicht.“ Das Teilen von Autos, Fahrrädern und E-Bikes sowie „Smart City-Projekte“ mit der digitalen Vernetzung der Stadt haben für die Planerin ebenfalls Zukunft. Als beispielgebend nannte sie Städte wie Straßburg, wo die Bürger überall binnen fünf Minuten eine Bushaltestelle erreichen können, oder Kopenhagen, das den Autoverkehr jedes Jahr rigoros um drei Prozent reduziert, und seinen Bewohnern teils begrünte Fahrradparkplätze mitten in der Straße vor dem Wohnhaus bietet.
Der Dortmunder Verkehrsexperte und Internet-Blogger Martin Randelhoff („Die Zukunft der Mobilität“), zeigte auf, wie sich mit einer genaueren Analyse und digitalen Optimierung der Verkehrsströme die Fahrzeiten in der Stadt mit „grüner Welle“ um mehr als ein Drittel  reduzieren lassen und so auch mehr freie Parkplätze entstehen. „Wir planen heute aber immer noch wie früher“, beklagte er. Anderswo gebe es  schon eine Bezahl-App für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf dem Handy sowie eine Radar- und Magnetfeld-basierte Parkplatzüberwachung. In Holland fahre die Polizei zudem mit einer 360-Grad-Kamera auf dem Auto und erfasse jedes Kennzeichen und jeden Verkehrsverstoß. Sein Credo: „Falschparken und mit dem Auto Radwege benutzen oder auf dem Gehweg parken - das ist gemeinwohlschädlich“. Oberbürgermeisterin Britz und ihr Umwelt- und Kulturdezernent Thomas Brück ließen offen, was von all den Verkehrszukunftsprojekten anderer in Saarbrücken bis 2030 noch Nachahmung finden könnte. Vieles sei in der verschuldeten Stadt nicht zu schultern. „Eine erfolgreiche Mobilitätswende ist ohne breite gesellschaftliche Akzeptanz nicht zu erreichen“, betonte Brück. Die Reihe „Die Stadt von morgen“ wird demnächst zu anderen Themen  fortgesetzt.

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