Kunstvolles Puzzle aus 72 Glasscheiben

St. Arnual. In der Saarbrücker Glasmalerei Frese liegt ein seltsamer Geruch in der Luft. Mit seinem süßlichen Ton erinnert er an Blei. "Das Blei kommt erst ganz zum Schluss", erklärt Alexandra Lesch und hält zwei ihrer eigenartig geformten Glasscheiben ins Licht

St. Arnual. In der Saarbrücker Glasmalerei Frese liegt ein seltsamer Geruch in der Luft. Mit seinem süßlichen Ton erinnert er an Blei. "Das Blei kommt erst ganz zum Schluss", erklärt Alexandra Lesch und hält zwei ihrer eigenartig geformten Glasscheiben ins Licht. Sie leuchten in vielen bunten Farben, nebeneinander lassen sie ihre spätere Verwendung erahnen: Sie werden Teil einer Fensterrosette sein - genau genommen Teil der größten Fensterrosette in ganz Thüringen. "Zuerst müssen die 72 Einzelteile gestaltet und gebrannt werden", ergänzt sie und geht zurück an den großen Arbeitstisch, um ihre Vorgehensweise zu erläutern. Dort hat sie einige ihrer originalgroßen Papiervorlagen ausgebreitet, auf denen sie Linienverläufe, Farben und Ziffern eingetragen hat. An ihnen orientiert sie sich, wenn sie in einem ersten Arbeitsgang verschiedenfarbige, speziell zugeschnittene Glasplatten, zerstoßene Glasstücke, Glasfäden, Granulate und Glaspulver übereinander schichtet, "um den richtigen Farbton zu treffen". Diese Glaspakete kommen dann in den Ofen, werden langsam bis 830 Grad erhitzt und geschmolzen. "Bei diesem Arbeitsgang, der bis zu 24 Stunden dauert, ist das ganz behutsame Abkühlen für die Spannungsfreiheit der Scheiben sehr wichtig", fügt Glasmalermeister Thomas hinzu und öffnet einen der beiden Öfen, in denen jeweils fünf dieser Scheiben auf speziell hierfür strukturierten Untergründen liegen. So werden die Oberflächen uneben und bieten dem Licht unterschiedliche Einfallswinkel, was wiederum die Leuchtkraft erhöht. Später werden den Glasplatten farbige Transparentschmelzfarben aufgebrannt, "um Kontraste und Strukturen malerisch auszuarbeiten", so die Glasmalermeisterin. Dann erst werden die einzelnen Glasteile mit Bleiprofilen zusammengefügt und in die architektonisch vorgegebene Rosettform der ältesten großen gotischen Kirche Mitteldeutschlands eingepasst. Alexandra Lesch ist 1975 im saarländischen Thalexweiler geboren. Sie ist als Freiberuflerin vornehmlich im Bereich Glasgestaltung tätig. Wie sie zu dem Auftrag aus Thüringen kam, ist eine längere Geschichte, bei der Gisela Kleeberg eine wesentliche Rolle spielt. Im Jahr 1961 war Kleeberg aus der ehemals freien Reichsstadt Mühlhausen /Thüringen geflüchtet und als Kinderärztin an die Neunkircher Landeskinderklinik vermittelt worden. Sie blieb im Saarland und hegte den Wunsch, der Divi Blasii Kirche ihrer Heimatgemeinde eine neue farbige Rosettverglasung zu schenken. Als dieser Wunsch im Frühjahr 2007 von offizieller Stelle abgesegnet und der Auftrag an die Glasmalerei Frese vergeben war, lagen schon bald die Entwürfe mehrerer Künstler vor. Eine genaue Vorstellung hatte Dr. Kleeberg nicht. Das Originalfenster war verloren, und sie berief sich auf ihre Kindheitserinnerungen, die von bunten Farben erzählen und von einer Stimmung, die sie bis heute immer wieder in den gotischen Kirchen im Elsass erlebt. Im Frühjahr 2008 fiel die Entscheidung für Alexandra Leschs zeitgenössische Lösung mit dem Thema "Gleichnis vom Senfkorn" aus dem Matthäus-Evangelium, das sie in abstrakter Formensprache und hellen, leuchtenden Farben umsetzt. Sie will dem Betrachter die "Chance geben, die suggestive und meditative Wirkung einer farbig gestalteten Rosette auf sich wirken zu lassen und für einen Moment Ruhe und Harmonie zu spüren", sagt Lesch. Und freut sich schon heute auf die offizielle Einweihung, die an diesem Samstag, 20. September, in der Divi Blasii Kirche in Mühlhausen gefeiert wird. "Betrachter der Rosette sollen Ruhe und Harmonie spüren"Glaskünstlerin Alexandra Lesch

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