Katholiken entsetzt: Künstler turnt auf Altar

St Johann · Mitte Januar ist Alexander Karle auf den Altar in der Basilika St. Johann gestiegen. Jetzt sorgt das dabei gedrehte Video für Ärger. Er wollte keine religiösen Gefühle verletzen, sondern „der Frage zwischen dem Zusammenhang von Religion und Leistungsdruck nachgehen“, sagt er.

Ein junger Mann mit Bart und kariertem Hemd steigt über die rote Kordel, die den Altarraum der Basilika St. Johann abriegelt. Er steigt auf den barocken Altar, macht 27 Liegestütze, legt sich kurz erschöpft auf die Steinplatte, steigt wieder runter, wischt mit einer Hand über den Altar, um Dreck zu beseitigen, und verlässt den Altarraum wieder.

Der Mann ist Alexander Karle, ein an der Hochschule der bildenden Künste Saar (HBK) ausgebildeter Saarbrücker Künstler. Seine Turnübung hat er auf Video aufgenommen. Das lief zunächst in einem Schaufenster am Max-Ophüls-Platz im Nauwieser Viertel, dann im Fenster des Hellwighauses in der Mainzer Straße, einem neuen Künstlertreff. Und es sorgt für Aufregung.

"Ich wollte mich nicht über die katholische Kirche lustig machen oder Gefühle von Gläubigen verletzen", versichert Karle. Dennoch: Die katholische Pfarrei St. Johann lässt derzeit von Polizei und Staatsanwaltschaft "prüfen, ob man rechtlich dagegen vorgehen kann", sagt Pfarrer Eugen Vogt. Immerhin habe da jemand "unberechtigterweise die Absperrung überstiegen und Turnübungen gemacht".

Dass es sich um Kunst handele, sei ihm anfangs gar nicht klar gewesen, sagt Vogt. Er habe zunächst geglaubt, da mache jemand "einen Witz". Zu dem, was der Künstler mit seiner Aktion beabsichtigt, könne er daher auch nichts sagen. Es zeichne sich nach einem Gespräch mit der Polizei aber ab, dass "da wohl rechtlich nichts zu machen ist", weil "die Freiheit der Kunst" ein hoch angesiedeltes Gut sei.

Liegestütze als Ausdruck für Leistungsdruck , der Altar als Symbol für die Religion, die in einem Zusammenhang damit steht - er habe das leise und mit einer kleinen Kamera aufgenommen, "also sehr dezent", sagt Karle. Das weiße Tuch, das auf dem Altar lag, habe er "zuvor sorgfältig entfernt und danach wieder hingelegt".

Es seien ein paar Menschen zum Beten in der Basilika gewesen, die dazu "kein Wort gesagt" haben, versichert Karle. Und er sei ja selbst auch Katholik, wenn auch nur auf dem Papier. Er wollte zwei Symbole - Religion und Leistungsdruck eben - zusammenbringen, um deutlich zu machen: "Die Allmacht der Industrie mit all ihren Folgen für die Umwelt, Tiere und uns Menschen, das kann so nicht weitergehen."

Der Galerist Gernot Neuheisel, der Karle gut kennt, findet die Aktion dennoch "erschreckend". Er sei "enttäuscht" von Karle. Der Künstler selbst fände es ja auch nicht gut, "wenn jemand einfach zu ihm in die Wohnung kommt und sich auf den Tisch legt".

Alexander Karle ist froh, dass eine Aktion auch gezeigt hat, dass es in Deutschland "noch möglich ist, seine Meinung frei zum Ausdruck zu bringen".

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