Ausstellung in St. Arnual Ein angenehmer Abend mit den Trash People

Saarbrücken · In der Auberge Rouge treffen Kunst und das Thema Ökologie aufeinander. Das bietet Gesprächsstoff für die Gäste.

Ein stimmungsvoller Abend in St. Arnual.

Ein stimmungsvoller Abend in St. Arnual.

Foto: David Lemm

An den im Sicherheitsabstand platzierten Tischgruppen haben es sich die Gäste im malerischen Biergarten der „Auberge Rouge“ bequem gemacht. Erhaschen mit blinzelnden Augen die letzten Strahlen der Abendsonne. Gedämpfte Gesprächsfetzen, Gläser- und Besteckgeräusche verschmelzen mit dem Vogelgezwitscher zu einer unaufdringlichen Geräuschkulisse vor der Felsenwand, wo drei der „Trash People“ thronen: 1,80 Meter großen, aus Müll gepressten Figuren des in Köln lebenden Künslers HA Schulte – das HA steht für Hans-Jürgen –, der auch 2009 einer der Gründungsdirektoren des „ÖkoGlobe Instituts“ an der Universität Duisburg-Essen war.

Die geschäftigen Kellner tragen Masken. „Dass wir das noch erleben. Jeder Demonstrant träumte davon“, sinniert HA Schult scharfzüngig. Sein Blick weilt auf dem Pärchen am Nachbartisch. Die beiden sind im Begriff zu gehen. Vor dem Verlassen ihres Tisches legen sie ihre farbigen Masken an, demonstrieren stilbewusst Pflicht.

„Fritten und Weißwein, deshalb sind wir gekommen, Schatz“, witzelt HA in polternder Ruhrpott-Manier und fährt sich durch die blonde Tolle, als der Kellner ihm die Fritten auftischt. „Greift zu. Einfach Weltklasse hier, das wird sich rumsprechen“, frotzelt er und greift zu. „Jeder Saarbrücker sollte hier gewesen sein, damit er weiß, wo er herkommt. – St. Arnual.“ Schult spricht den Stadtteil lang gezogen aus. Zu seiner Linken sein Sohn, der Filmemacher und Grimmepreisträger Kolin Schult, der seit 2017 mit seiner Frau Dagmara Wozniak die Auberge Rouge betreibt. „Aus erster Ehe. Kolin ist ein Hippie-Kind, aber das hört er nicht gerne.“ Kolin reagiert nicht, dreht sich eine Zigarette und inhaliert. Der Vater grinst. Seine rechte Hand findet die feingliedrigen Hände der russischen Violinistin und Performerin Anna Zlotovskaya (53), Ehefrau Nummer vier, zu seiner Rechten. Und er kommt auf die Münchener „Haifisch-Kommune“ zu sprechen, der er Ende der Sechziger Jahre angehörte.

In diese Zeit fällt sein „erstes Aufmucken“ mit dem Material, das ihn später bekannt machen sollte. In München, der „damals heimlichen Hauptstadt“, müllte er 1969 die Schackstraße zu und rief prompt die Staatsgewalt auf den Plan. Seine als Provokation empfundenen Ausstellungen brachten ihm den Ruf als „berühmt, aber auch berüchtigt“ ein, wenn er etwa vor dem Leverkusener Museum Schloss Morsbroich auf neun Zentnern Kartoffelbrei Pilzkolonien züchtete, um die Luft der Chemiestadt sichtbar zu machen. Als einer der ersten Künstler setzte er sich mit dem Verhältnis von Kunst und Ökologie auseinander, indem er Müll als Basiswerkstoff nutzte – gemäß seinem Motto „Wir sind alle Müll“. Bei seinen zahlreichen Aktionen war oft seine Muse und frühere Ehefrau Elke Koska an seiner Seite.

„Noch nie hat die Welt so den Atem angehalten“, hebt er an. Das „Parteiengeschwätz“ nerve ihn, ebenso „der SPD-Wichser, der sich als Virologe ausgibt“, provoziert er. „Corona ist schon verrückt – eine Weltsensation“, die bereits ökologische Kurzzeitfolgen zeige: „Wann hatten wir das letzte Mal Mücken an der Windschutzscheibe?“ Um seine Gesundheit scheint er sich, als Angehöriger der, „wie heißt das?“, Hochrisikogruppe, danke“, keine Sorgen zu machen. Hingegen weilt seine Armee der sonst an vielen Orten ausgestellten Trash People im Lager. Als arrivierter Künstler kann er den finanziellen Ausfall verkraften und hat seinem Sohn einige Trash People geliehen, die nun als „Distance People“ fungieren und sicher dem einen oder anderen Gast einen veritablen Gesprächsanlass bieten. „Kunst statt Plexisglas“, bringt es die Inhaberin Wozniak auf den Punkt. Dazu zählen ein großformatiges Foto seines Kunstwerkes „Hotel Europe“, dass eine Hotelruine an der A 59 bei Troisdorf zeigt. Und aus dem Mosaik der vielen in bunter Popart-Manier gestalteten Porträts von europäischen Größen haben es Angela Merkel, Michail Gorbatschow und Bertolt Brecht in die Auberge Rouge geschafft, wo sie bis Ende August zu sehen sind.

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