Sexueller Missbrauch in der Kirche Saarbrücker Oberbürgermeister Conradt fordert Bischöfe zum Rücktritt auf – Opfer kritisieren Ackermann scharf

Update | Saarbrücken/Trier · Vertuschung sexuellen Missbrauchs war in der katholischen Kirche an der Tagesordnung. Auch im Bistum Trier. Das ist für Uwe Conradt (CDU) erschreckend. Darum fordert der Saarbrücker Oberbürgermeister Konsequenzen. Er übt als Kirchenmitglied Selbstkritik sowie stellt Privilegien der Amtskirche infrage.

 Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) fordert den Rücktritt des Trierer Bischofs und dessen Vorgängers.

Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) fordert den Rücktritt des Trierer Bischofs und dessen Vorgängers.

Foto: LHS/mcw

Nach dem vernichtenden Bericht der unabhängigen Aufarbeitungskommission zu sexuellen Missbrauchsfällen im Bistum Trier fordert der Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) personelle Konsequenzen – und zwar an der Spitze der Diözese. Das betrifft auch jenen Würdenträger, der einst an der Spitze des hiesigen Bistums stand. Er legt den Verantwortlichen nahe, ihren Hut zu nehmen.

Uwe Conradt: Bischöfe sollen zurücktreten – Deren Haltung sei „unerträglich“

In einem im Internet veröffentlichten Beitrag schreibt der Verwaltungschef: „Es ist Zeit, dass Amtsträger, insbesondere der ehemalige Trierer Bischof Reinhard Marx und der aktuelle Bischof Stephan Ackermann Verantwortung übernehmen und von ihren Ämtern zurücktreten.“ Demnach seien beide ihrem Amt nicht gerecht geworden, als es darum ging, Missbrauch aufzudecken.

So seien die Zahlen, die sich „allein auf das kleine Bistum Trier“ beziehen, für Conradt „erschreckend“. Aus seiner Sicht sei die Haltung der Verantwortlichen „unerträglich“, wie diese mit den Tätern umgegangen sind. Die Erklärung der Aufarbeitungskommission, wonach „Vertuschung sexuellen Missbrauchs an der Tagesordnung war“, verdeutliche, „dass Missbrauch offensichtlich mit System gedeckt wurde“, schreibt Conradt im sozialen Netzwerk Linkedin.

Oberbürgermeister Conradt will Debatte in der CDU über Privilegien der Kirche

Menschen, die Kinder missbrauchen, haben demnach nichts in der Kirche zu suchen. Sie müssten strafrechtlich verfolgt werden. Das gelte auch für Würdenträger. In diesem Zusammenhang stellt der Politiker bisherige Privilegien der Amtskirche infrage. Er fordert darum in seiner Partei eine Diskussion darüber. Damit wolle er einen Reformprozess in der Kirche anstoßen.

Gleichzeitig brauchten die Missbrauchsopfer die Solidarität der gesamten Glaubensgemeinschaft. „Viel zu lange haben einfache Kirchenmitglieder wie ich zu den Vorgängen in unserem Bistum und in unserer Kirche geschwiegen“, merkt Conradt selbstkritisch an.

Nach dem am Donnerstag, 25. August, veröffentlichten ersten Zwischenbericht der Kommission sollen zwischen 1946 und 2021 im Bistum mindestens 513 Menschen Opfer sexueller Gewalt geworden sein. Bei den mutmaßlichen Tätern kommen die Mitglieder des Gremiums auf 195. Allerdings geht das Team von einer erheblichen Dunkelziffer aus.

Besonders gravierend: Von 1955 bis 1975 habe die Bistumsleitung alles daran gesetzt, dass kein Fall nach außen dringt. Alles sollte intern geregelt werden, juristische Aufarbeitung von staatlicher Seite – Fehlanzeige.

Missbrauch in der Kirche: Gutachten belastete bereits Anfang 2022 Papst Benedikt

Bereits Anfang 2022 hatte das Gutachten einer Anwaltskanzlei zu sexuellen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche den emeritierten Papst Benedikt XVI. schwer belastet. In seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising (1977 bis 1982) habe er sich als Kardinal Joseph Ratzinger in vier Fällen falsch verhalten. Demnach soll er unter anderem einen Priester aus Nordrhein-Westfalen nach Bayern geholt haben, wo der wegen Kindesmissbrauchs verurteilte Geistliche erneut eingesetzt wurde. Er sei immer wieder rückfällig geworden. Bereits in seiner Zeit in Nordrhein-Westfalen habe er sich zigfach an Jungen vergriffen.

In der Studie wird auch der heutige Erzbischof der Münchner Diözese und einstige Trierer Bischof, Kardinal Reinhard Marx, belastet. Die Anwälte warfen ihm Fehlverhalten in mindestens zwei Verdachtsfällen von sexuellen Missbrauch vor.

Marx hatte selbst die unabhängige Expertise selbst in Auftrag gegeben, um den Missbrauch in der Kirche aufzuklären. Die Juristen führten in ihrem Bericht auf mehr als 1700 Seiten zwischen 1945 und 2019 mindestens 487 Opfer auf. 235 mutmaßliche Täter machten sie aus, unter ihnen 173 Priester und neun Diakone. Die Advokaten titelten ihr Gutachten „Bilanz des Schreckens“.

Missbrauchsopfer kritisieren Bischof Ackermann scharf

Die Vereinigung der Missbrauchsopfer im Bistum Trier (Missbit) reagierte unterdessen auf Ackermanns Aussagen nach Bekanntgabe des Zwischenberichts. Demnach hält sie den Bischof „völlig empathiefrei“. Er verklausuliere sich in Äußerungen und blicke über die weiteren Missbrauchsopfer wie über „eine schlechte Halbjahresbilanz in einem Dax-Unternehmen“ hinweg, schreibt der Verein in einer Mitteilung. Auf Bedauern oder eine Entschuldigung warteten die Opfer bislang vergebens.

Missbit sieht nach wie vor die bekannt gewordenen Fälle nur als die Spitze eines Eisbergs. Die Organisation geht davon aus, dass die Dunkelziffer um das Zehnfache höher liege. Darum rechne sie damit, dass die Aufarbeitungskommission „weitere Fälle dokumentieren“ werde.

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