Thomas Altpeter geht in den Ruhestand Er schuf die Sommermusik und den Kakadu: Thomas Altpeter hört auf

Saarbrücken · Als Thomas Altpeter vor 35 Jahren anfing, im Saarbrücker Kulturamt zu arbeiten, gab es da noch wenig, was das Wort Kultur vor dem Wort Amt rechtfertigte. Jetzt geht er in Rente und verlässt ein Amt, in dem so viel Kultur stattfindet, dass man manchmal den Überblick verlieren könnte. Daran hat der 65-Jährige einen nicht unbeträchtlichen Anteil.

 Auch wenn er sich gerne mit ihnen umgibt, ein Fossil ist Thomas Altpeter natürlich nicht. Aber er ist mit Überzeugung in manchen Bereichen altmodisch.

Auch wenn er sich gerne mit ihnen umgibt, ein Fossil ist Thomas Altpeter natürlich nicht. Aber er ist mit Überzeugung in manchen Bereichen altmodisch.

Foto: Iris Maria Maurer

„Am Schluss – Bomm – gibt es eine völlige Kehrtwende, und alles ist anders“. Thomas Altpeter untermalt das „Bomm“ mit einer ausladenden Handbewegung, lächelt ein feines Lächen und meint „Das mache ich ja immer ganz gerne“.

Mit diesem Satz ist schon grob umrissen, was einer der wohl prägendsten Mitarbeiter, die das Saarbrücker Kulturamt je hatte, in Zukunft machen wird. Denn Altpeter, der „Vater“ der Saarbrücker Sommermusik, der Schutzpatron der freien Szene, der langjährige Pfleger des Magazins Kakadu und der Strippenzieher fürs Figurentheater im Kleinen Theater im Rathaus geht in Rente. Ende Mai wurde er 65.

Zum SZ-Gespräch an diesem sommerlichen warmen Morgen im Café am Schloss kommt ein überraschend gelassener Mensch. Man hatte eigentlich erwartet, dass da mehr Trennungsschmerz sein würde. Vielleicht sogar Groll. Immerhin hat er Jahrzehnte eine zentrale Rolle im Saarbrücker Kulturleben gespielt. Statt dessen: „Es ist eine andere Zeit, es werden andere Prioritäten gesetzt“, sagt er. Andere sollen es jetzt machen, von ihm aus auch anders, auch wenn da natürlich schon „eine gewisse Resignation mitschwingt“, wie er eingesteht.

„Die ganze Corona-Geschichte hat den Schwung genommen, dass man nichts mehr wie früher machen konnte“. Aber auch weil einer wie Altpeter sich an aktuellen Entwicklungen natürlich schon abarbeitet. Dass die Entscheidung über die Zuschüsse für die freie Szene jetzt von einer externen Jury getroffen wird, hat er lange bekämpft. Er hält es auch immer noch für falsch. Aber er reibt sich nicht mehr daran auf.

 Aus den Anfangsjahren der Saarbrücker Sommermusik. Hier spielt das Ensemble „Drei linke Hände“ mit dem viel zu früh verstorbenen Gitarristen Guido Allgaier (links) im Bürgerpark-Rondell. In den ersten Jahren gastierte die Sommermusik regelmäßig dort.

Aus den Anfangsjahren der Saarbrücker Sommermusik. Hier spielt das Ensemble „Drei linke Hände“ mit dem viel zu früh verstorbenen Gitarristen Guido Allgaier (links) im Bürgerpark-Rondell. In den ersten Jahren gastierte die Sommermusik regelmäßig dort.

Foto: Wunderlich

Eher regt er, der schonmal 100 Jahre alte Musikkritiken goutiert, sich über die Verlotterung der modernen Sprache auf. Die konstatiert er überall und leidet darunter. Ein Freund des Genderns ist der 65-Jährige da naturgemäß nicht. „Das Bewusstsein für eine gute Sprache ist mir sehr wichtig“, meint er. Und darunter versteht er „klassisches Deutsch“.

Da ist der Plan für seinen dritten Lebensabschnitt naheliegend: schreiben. Bereits jetzt hat er „die Schublade voll“ mit fertigen Romanen und Erzählungen, von denen er nun einige veröffentlichen will. „Ich habe immer nebenher geschrieben und illustriert“. Zum Beispiel auch die Geschichte mit der „völligen Kehrtwende“, von der er am Anfang erzählt. „Der Nachtrabe“ heißt sie und die Kehrtwende verrät er nicht. Nur, dass am Anfang eine Frau ihren Mann erschlägt. Oder vielleicht doch nicht?

Aktuell arbeitet Altpeter an einer großen Dorfgeschichte. „Ich lese mir dann die Geschichten selber laut vor und freue mich an der schönen Sprache“, verrät er und grinst ein bisschen. Außerdem helfe laut Vorlesen beim Fehler-Entdecken.

Man kann wohl, ohne ihm zu nahe zu treten, sagen, dass Thomas Altpeter aus Überzeugung ein altmodischer Mensch ist. Da passt auch das andere Hobby ins Bild. „Ich sammle Fossilien. Ein Besucher hat mal gesagt, bei Ihnen sieht es ja aus wie im Senkenberg-Museum“. Das Altpetersche Zuhause in Bischmisheim kann man sich also gut vorstellen. Seit seiner Kindheit fesselt ihn die Fossilien-Leidenschaft. „Damals hab ich am Brennenden Berg viel gefunden“. Eine Zeitlang hatte er auch damit geliebäugelt, Paläontologie zu studieren.

Es zog ihn dann aber doch zur Kunst. Er studierte Ende der 1970er-Jahre Kommunikationsdesign in Wiesbaden. „Ich kann manchmal kaum glauben, dass das so lange her ist“, meint er und zeigt wieder dieses ironisch-verschmitze Altpeter-Lächeln. Er erinnert sich nämlich noch mit Freude an seine Studientage. „Was haben wir Dinger gedreht im Studium“. Streiche gespielt, Quatsch gemacht. Solche Feuerzangenbowlen-artigen Aktionen könnten sich heutige Studierende gar nicht mehr leisten. „Die Professoren sind auch nicht mehr so“.

Nach dem Studium – zwischendurch jobbte er auch mal im legendären Saarbrücker Musikclub Barrelhouse – stand er wie in den 1980er-Jahren so viele andere Akademiker mehr oder weniger auf der Straße. Den Kontakt zur Heimat hatte er nicht verloren. „Ich bin oft nach Hause gefahren“, sagt er, macht eine Pause und ergänzt mit feinem Lächeln: „Wie der Saarländer das so macht“.

Da wurde in Saarbrücken ein neuer Kulturdezernent gewählt. Rainer Silkenbeumer. Er fand, erzählt Altpeter, „ein Kulturamt mit wenigen Leuten vor“. Und zugleich gab es viele arbeitslose studierte Menschen. Silkenbeumer kreierte für Saarbrücken das Modell „Arbeit und Kultur“, bei dem zunächst vom Arbeitsamt geförderte Stellen im Kulturbereich geschaffen wurden. In Silkenbeumers Amtszeit wurde das Kulturamt so vom reinen Verwaltungsamt zum Gestaltungsamt. „Er hat von allen Dezernenten den meisten Schwung reingebracht, die meisten Veränderungen herbeigeführt“, sagt Altpeter. Zumindest in der ersten Amtszeit, „in der zweiten war die Luft raus“.

Unter den Leuten, die Silkenbeumer ins Kulturamt holte, war auch Thomas Altpeter. Sein Arbeitsfeld wurden die freie Szene, später noch das Figurentheater im kleinen Theater im Rathaus. Und der legendäre Veranstaltungskalender Kakadu, dessen Einstellung vor fünf Jahren nicht wenige Leute bis heute bedauern.

Wer in den 1980er-Jahren schon in der Saarbrücker alternativen Kultur unterwegs war, erinnert sich mit Grausen an ein unglaubliches Durcheinander von professionellen und Gerne-Künstlern, an Zuschussvergabe mit der Gießkanne und ewige Streitereien. Legendär so mancher runde Tisch, den der frisch gebackene Dezernent organisierte, an dem sich mehr oder weniger freie Künstlerinnen und Künstler gegenseitig an die Gurgel gingen und um 100 Mark Zuschüsse feilschten.

„Gießkanne geht gar nicht“, sagte sich Altpeter damals. Und gestaltete die Kulturförderung nach und nach um. Nur noch Profi-Künstlerinnen und Künstler, nur noch Kultur mit einem gewissen Anspruch wurde gefördert. Und so erwuchs, auch dank Altpeters Moderation, die qualitätvolle freie Szene heran, die wir heute haben. Das sei, darauf legt er Wert, immer in Abstimmung mit dem Kulturausschuss geschehen. „Ich habe mich vor den Kulturausschusssitzungen mit den kulturpolitischen Sprechern getroffen“. Altpeter hätte sich gewünscht, dass sein Modell bleibt, aber vor zwei Jahren führte die Stadt bekanntlich die Jury ein. Er hat dagegen gekämpft, aber mittlerweile resigniert.

Eine andere Sache, die untrennbar mit Altpeter verbunden ist: die Saarbrücker Sommermusik. Das Musik-Festival mit hohem Anspruch präsentiert seit über 30 Jahren Konzerte, die teils extra dafür konzipiert sind, Projekte, die extra dafür entstehen. Neue Musik, klassische Musik, Jazz und Performance sind die Schwerpunkte.

Altpeter hatte so über die Jahre ein ideales Dreier-Paar geschmiedet: Über die städtische Förderung sorgte er dafür, dass interessante Projekte entstanden, über den Kakadu konnte er sie bewerben und bei der Sommermusik hatte er die Auftrittsmöglichkeit dafür. Manchem in der Stadt war das etwas viel Einfluss für eine Person. Aber dieses eigenwillige Intendanten-Modell funktionierte.

Die Saarbrücker Sommermusik, Altpeters ureigenstes Baby, wird auch mindestens in diesem Jahr noch komplett seine Handschrift tragen. Im August findet sie erstmals seit Corona wieder ganz regulär statt.

Aber vielleicht geht es auch noch weiter. Das Festival wurde im letzten Jahr erstmals mit einem eigenen Etat von 60.000 Euro ausgestattet. „Ich hatte ein Gespräch mit dem OB, in dem er mir gesagt hat, ich könne das weitermachen“, sagt Altpeter. Er wäre auch dazu bereit, „aber das Kulturamt müsste natürlich ein Interesse daran haben“. Ideen hat er jedenfalls noch mindestens bis 2024 – da hat nämlich die Bischmisheimer Schinkelkirche, einer der beliebtesten Spielorte der Sommermusik, Jubiläum. Das würde er schon gern noch machen.

Viele Jahre übrigens hatte Thomas Altpeter für all seine Aktivitäten offiziell gerade mal eine halbe Stelle. Aber gearbeitet hat er eigentlich immer. „Es gab für mich nie so eine Trennung zwischen dem Privaten und Beruflichen. Weil es eigentlich eine gute Stelle ist“. Die er nun verlässt. Die nun eine andere Person übernehmen wird. Während Thomas Altpeter in seinem Haus in Bischmisheim, umgeben von Fossilien und Büchern, über überraschende Kehrtwendungen und die Schönheit der Sprache nachdenken wird. Und wir auf das „Bomm“ warten.

 Ein bisschen wie im Senkenberg-Museum: Thomas Altpeter sammelt Fossilien seit seiner Kindheit.

Ein bisschen wie im Senkenberg-Museum: Thomas Altpeter sammelt Fossilien seit seiner Kindheit.

Foto: Iris Maria Maurer
 Ein halbes Künstlerleben lang kennen sie sich: Thomas Altpeter und der Posaunist Christoph Thewes in jungen Jahren.

Ein halbes Künstlerleben lang kennen sie sich: Thomas Altpeter und der Posaunist Christoph Thewes in jungen Jahren.

Foto: engel & seeber
 Das Figurentheater im Kleinen Theater im Rathaus lag ihm viele Jahre am Herzen.

Das Figurentheater im Kleinen Theater im Rathaus lag ihm viele Jahre am Herzen.

Foto: c.spanier/Christoph Spanier
 Diesen beiden gehört Altpeters künstlerische Treue seit Jahren. Katharina Bihler und Stefan Scheib vom Liquid Penguin Ensemble sind mit ihren anspruchsvollen Produktionen zu kulturellen Aushängeschildern geworden.

Diesen beiden gehört Altpeters künstlerische Treue seit Jahren. Katharina Bihler und Stefan Scheib vom Liquid Penguin Ensemble sind mit ihren anspruchsvollen Produktionen zu kulturellen Aushängeschildern geworden.

Foto: Kerstin Kra§mer
 Bei der Saarbrücker Sommermusik wollte Thomas Altpeter immer auch Neues, Ungewöhnliches zeigen. Stile  und  Kunstformen sollten sich mischen. wie hier bei der Produktion „zeitgleichzeit“ im Theater im Viertel mit der Musikerin Monika Bagdonaite, der Bildenden Künstlerin Katja Romeyke und dem Sänger Ralf Peter.

Bei der Saarbrücker Sommermusik wollte Thomas Altpeter immer auch Neues, Ungewöhnliches zeigen. Stile und Kunstformen sollten sich mischen. wie hier bei der Produktion „zeitgleichzeit“ im Theater im Viertel mit der Musikerin Monika Bagdonaite, der Bildenden Künstlerin Katja Romeyke und dem Sänger Ralf Peter.

Foto: Oliver Dietze
 Einer von Thomas Altpeteres Lieblings-Spielorten für die Sommermusik ist die Bischmisheimer Schinkelkirche, hier bei einem Konzert mit dem Tsanevski-Quartett. Das Jubiläum der Kirche in zwei Jahren würde Altpeter gern noch mit der Sommermusik würdigen, wenn man ihn lässt.

Einer von Thomas Altpeteres Lieblings-Spielorten für die Sommermusik ist die Bischmisheimer Schinkelkirche, hier bei einem Konzert mit dem Tsanevski-Quartett. Das Jubiläum der Kirche in zwei Jahren würde Altpeter gern noch mit der Sommermusik würdigen, wenn man ihn lässt.

Foto: Iris Maria Maurer
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