Singen in der Lerchesflur Saarbrücker Seniorenchor geht hinter Gitter

Saarbrücken · Der HeartChor ist eine Gruppe älterer Menschen, die sich auf Rockmusik einlassen und damit schon seit Jahren ihr Publikum begeistern.

 Der HeartChor in der Justizvollzugsanstalt auf der Lerchesflur.

Der HeartChor in der Justizvollzugsanstalt auf der Lerchesflur.

Foto: HeartChor

Etwas mulmig war es Vera Wilhelm schon. Man geht ja nicht alle Tage ins Gefängnis. Auch wenn klar war, dass sich die Türen und Tore nach ein paar Stunden wieder öffnen, habe sie „diesem Auftritt mit großer Freude, aber auch ein wenig Beklommenheit entgegengeschaut“. Wie die anderen Mitglieder des HeartChors, die sich vor einigen Tagen in der Saarbrücker Justizvollzugsanstalt (JVA) auf der Lerchesflur für ein Konzert einsperren ließen.

„Was erwartet uns dort?“, das haben sich alle Sängerinnen und Sänger des Seniorenchors gefragt, sagt die Vorsitzende. Vera Wilhelm selbst „hatte an dem Tag deutlich mehr Lampenfieber als sonst“. Es sei zunächst „ein beklemmendes Gefühl“ gewesen, „als sich hinter uns alle Türen schlossen“. – Zwei Gefangene halfen beim Aufbau der Technik. „Sie  waren sehr freundlich und hilfsbereit. Es kam keine Angst oder extreme Fremdheit auf“, erzählt Vera Wilhelm.

Das Publikum wurde in kleinen Gruppen in den Saal geführt. Es seien vor allem junge Männer gewesen, und das Wachpersonal habe sich im Hintergrund gehalten.

„Die Atmosphäre war wie bei einem normalen Konzert“, sagt Vera Wilhelm. Aber da gab es schon eine Unsicherheit im Chor. Vera Wilhelm: „Was löst es für Reaktionen aus wenn wir bei unseren Versionen von ,Highway to Hell’ singen: ,Schönes Leben, frei zu sein...’ Oder in ‚Altes Fieber’ von den Toten Hosen: ,Seh euch alle da sitzen, weiß dass ich richtig bin“? „Sitzen“ und „frei“, das habe ja plötzlich eine andere Bedeutung.

 Der Beifall nach dem ersten und dann nach jedem weiteren Song, vertrieb die Unsicherheit. Plötzlich standen zwei Männer in der ersten Reihe auf. „Ich kam sofort in Hab-acht-Stellung, mein Herz klopfte“, erzählt Vera Wilhelm.

Ein Beamter ging zu den Männern, sie setzten sich wieder. Sie wollten nur rauchen gehen. „Das taten sie dann auch in Begleitung des Beamten, und ich wurde wieder locker“, sagt die Sängerin.

Am Ende wurde nach Zugaben gerufen. Und beim Rausgehen haben sich einige Gefangene mit Händedruck bei den Sängerinnen und Sängern für das Konzert bedankt. „Es hat mich ein bisschen gerührt, und für mich stand da fest, dass es richtig und gut war, uns auf diesen Auftritt einzulassen“, sagt Vera Wilhelm.

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