Beratung und Prävention Vom Kampf gegen Viren und Vorurteile

Saarbrücken · Seit 1985 gibt es die Aids-Hilfe Saar. Deren Aufgaben haben sich dank des medizinischen Fortschritts verändert.

 Frank Kreutzer, der Geschäftsführer der Aids-Hilfe Saar, in der Geschäftstelle im Nauwieser Viertel.

Frank Kreutzer, der Geschäftsführer der Aids-Hilfe Saar, in der Geschäftstelle im Nauwieser Viertel.

Foto: Iris Maria Maurer

Anfang der 1980er-Jahre erkrankten die ersten Menschen an der Immunschwäche Aids. 1983 wurde der Erreger entdeckt, das HI-Virus. HIV und Aids beschäftigten weite Teile der Gesellschaft. Vor allem schwule Männer sahen Handlungsbedarf. Sie gründeten die Deutsche Aids-Hilfe.

Heute ist die Aids-Hilfe Saar, ein eingetragener Verein, ein wichtiger Bestandteil des schwulen Lebens in Saarbrücken. Noch immer machen Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), den größten Anteil unter den HIV-Infizierten aus. Diese müssen nicht zwangsläufig schwul sein. Das habe jedoch nichts damit zu tun, dass MSM risikofreudiger als die übrige Bevölkerung sind, betont Frank Kreutzer, Geschäftsführer der Aids-Hilfe Saar. Vielmehr habe es von Anfang an in eben jener Bevölkerungsgruppe besonders viele Infektionen gegeben. Allein schon, weil „schwule“ Sexualpraktiken ein hohes Übertragungsrisiko bergen. Somit sei heute für MSM die Gefahr, auf einen HIV-positiven Partner zu treffen, rund 200- bis 300-mal höher als in den übrigen Bevölkerungsgruppen.

Auch wenn „darüber hinaus Aids erst einmal alle etwas angeht“, so Kreutzer, konzentriert sich die Arbeit der Aids-Hilfe Saar schwerpunktmäßig auf MSM. Die Aids-Hilfe Saar gibt es seit dem 4. Dezember 1985 – damit war sie eine der ersten in Deutschland. Seitdem hat sich vor allem eine Sache verändert: „Aids ist zu einer behandelbaren Krankheit geworden“, betont Kreutzer. Er ist seit 25 Jahren in der Aids-Hilfe aktiv und erinnert sich: „Anfang der 90er-Jahre war das Ganze noch eine schwierige Sache, es gab große Ängste, Aids-Hilfe bedeutete schlichtweg Sterbebegleitung.“

Mitte der 1990er-Jahre gab es dann erste Medikamente, die Sterberate sank um 70 Prozent. Aids-Hilfe bedeutet seitdem auch Beratung und vor allem Prävention.

Wie unterschiedlich das verwirklicht werden kann, zeigen die verschiedenen Angebote der Aids-Hilfe Saar. Einerseits gibt es klassische Aufklärungsarbeit – etwa in Schulen. Dabei ist man stets darauf bedacht, zu einem gewissen Anteil auch Leben mit HIV zu thematisieren, um so Antidiskriminierungsarbeit zu leisten. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Arbeit sind Workshops für medizinisches Personal. Neben Sozialberatung, Selbsthilfeangeboten und der Möglichkeit zu allgemeinem Austausch bietet die Aids-Hilfe Saar zielgruppenspezifische Angebote, insbesondere für MSM. Im Rahmen der seit 2007 laufenden Präventionskampagne „Gudd druff!“ können sich MSM donnerstags von 18 bis 20 Uhr zu sexuell übertragbaren Krankheiten beraten und testen lassen – kostenlos. Das Angebot lässt sich verwirklichen, weil die Community hilft. Schwule Ärzte testen, schwule Freiwillige kümmern sich um Organisation und Betreuung. Obwohl bei der Aids-Hilfe Saar natürlich auch Frauen und Männer jeder sexuellen Orientierung als Ehrenamtler aktiv sind, helfen beim Test-Angebot ausschließlich schwule Männer – „es ist nicht bloß ein Test, sondern das Gefühl der gleichen geteilten Lebenswelt“, erklärt Kreutzer.

Heute sei es generell „für Männer aus der Community ganz selbstverständlich, sich testen zu lassen“, sagt Kreutzer. Aus einem Verantwortungsgefühl sich selbst – und der Community gegenüber.

Außerdem gibt es einen Street-Worker, der nicht nur telefonisch und über das Internet berät, sondern auch mindestens zweimal die Woche loszieht, schwule Treffpunkte aufsucht, das Gespräch sucht, Kondome verteilt. Sein Gesicht kennt man nicht nur, er ist gern gesehen, ist Ansprechpartner.

Nicht nur die positive Resonanz auf die Angebote zeigt, wie wichtig die Aids-Hilfe Saar der schwulen Community ist. Die Community versucht auch etwas zurückzugeben: 35 000 bis 40 000 Euro an Eigenmitteln muss die Aids-Hilfe neben ihren zahlreichen Finanzierungen jährlich aufbringen. Eigene Aktionen wie die alljährliche Kunstaktion, dieses Jahr am 27. Oktober, bei der saarländische Künstler zu Gunsten der Aids-Hilfe Saar ihre Kunst versteigern, helfen, einen Teil der Kosten zu stemmen. Ein Großteil wird aber durch Spenden und Benefiz-Aktionen abgedeckt. Frank Kreutzer betont: „Für uns bedeutet das nicht nur Geld, sondern auch Bestätigung.“

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