Zwischenbilanz für Gemeinschaftsschule mit Licht und Schatten

Saarbrücken · Vor dreieinhalb Jahren ist die Gemeinschaftsschule als zweite Säule neben dem Gymnasium eingeführt worden. Ob die Schulformen gleichberechtigt sind, diskutierten am Dienstag Experten.

Entwickelt sich die Gemeinschaftsschule zu einer gleichberechtigten Schulform neben dem Gymnasium? Der Erziehungswissenschaftler Klaus-Jürgen Tillmann zog bei einer Veranstaltung in der Arbeitskammer am Dienstagabend eine Zwischenbilanz mit Licht und Schatten. Positiv sei, dass es auch an den Gemeinschaftsschulen - anders als an vergleichbaren Schulformen in anderen Bundesländern - einen eigenen Zugang zum Abitur gebe und das Abitur nach neun Jahren für Attraktivität sorge. Doch stehe das Zwei-Säulen-Modell im Saarland vor einer "Bewährungsprobe", warnte der Professor der Uni Bielefeld. Zentral für die Gleichwertigkeit sei die flächendeckende Einrichtung von gymnasialen Oberstufen (GOS) an Gemeinschaftsschulen . Doch könne nicht jeder Standort eine eigene Oberstufe erhalten, Kooperationen seien zwischen Gemeinschaftsschulen sinnvoll. Aber Schüler nach der zehnten Klasse auf Gymnasien zu verweisen sei "die amtliche Dokumentation der fehlenden Gleichwertigkeit". Er stellte Zahlen aus Berlin vor, wonach eine dortige Inte grierte Sekundarschule (ISS; vergleichbar mit der Gemeinschaftsschule) mit eigener gymnasialer Oberstufe eine höhere Anziehungskraft für Eltern und Schüler habe als eine ohne. Dies könne - sollten die Schülerzahlen sinken - auch Einfluss auf den Standort erhalt einer Schule haben. Eine GOS am Standort habe auch Auswirkung auf die Schülerklientel. Eine ISS mit GOS werde von leistungsstarken und vor allem mittelstarken Schülern gewählt, ein Standort ohne GOS von leistungsschwachen Schülern. Die Befunde seien nicht einfach auf das Saarland übertragbar, denn zum einen gebe es in der Hauptstadt eine andere Schülerpopulation, zudem mache es auch die Verkehrsanbindung leichter, eine andere Schule zu besuchen. Deutlich wurde bei der Veranstaltung, dass viele Gemeinschaftsschulen eine Kooperation mit einem Gymnasium skeptisch sehen. "Bei einer Kooperation mit einem Gymnasium haben wir die Sorge, als Juniorpartner eine Partnerschaft abzuschließen, die uns am Ende zerreibt", sagte der Leiter der Gemeinschaftsschule Gersheim, Günther Clemens. Er vermisse oft die Gleichwertigkeit. So sei zu befürchten, dass sich das Gymnasium bei der Integration von Flüchtlingen und der Inklusion weitgehend heraushalte.

Das geplante Oberstufenkonzept der Landesregierung sehe Kooperationen von Gemeinschaftsschulen und Gymnasien beziehungsweise beruflichen Oberstufengymnasien "auf Augenhöhe" vor, sagte Monika Hommerding, Referatsleiterin im Bildungsministerium und zuständig für die Schulentwicklung. Die Planung sei weitgehend abgeschlossen, das Konzept werde bis spätestens 16. Februar vom Ministerrat beschlossen, dann würden die Standorte bekannt gegeben. Es werde voraussichtlich zwölf neue Oberstufen-Verbünde geben. Im Gegensatz zu früheren, losen Kooperationen seien nun festere Strukturen geplant. So sollen Gemeinschaftsschul-Lehrer ihre Schüler auch an den neuen Oberstufenstandort begleiten und so für personelle Kontinuität sorgen.

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