Zwischen Renaissance, Electro und Metal

Saarbrücken · Gerade sind zwei Alben von Stephan Mathieu erschienen – „Un Coeur Simple“, die Musik für die gleichnamige „Sparte4“-Aufführung vom Frühjahr 2011, und „Wandermüde“, eine Kooperation mit David Sylvian.

 Der Musiker Stephan Mathieu. Foto: Michael Berland

Der Musiker Stephan Mathieu. Foto: Michael Berland

Foto: Michael Berland

"Nicht dass ein falscher Eindruck entsteht, meine Musik ist nicht grundsätzlich elektronisch. Ich höre und sammle alle möglichen Stile: von Renaissance über Indierock bis hin zu Doom Metal." Stephan Mathieu hört, was ihm gefällt. Dabei macht der 45-jährige Berufsmusiker aus Saarbrücken elektro-akustische Musik.

Mathieu ist in der experimentellen Elektronik-Szene zuhause und veröffentlicht regelmäßig auf den größten Labels der Branche (Touch, 12k und Samadhisound). Gerade sind zwei Alben von ihm erschienen: "Un Coeur Simple", die Musik für die gleichnamige "Sparte4"-Aufführung vom Frühjahr 2011, und "Wandermüde", eine Kooperation mit David Sylvian.

Die Musik von Sylvian verfolgt Mathieu seit 1981. Seinerzeit war der Brite Mitglied der New-Wave-Band "Japan". Einer von vielen wichtigen Meilensteinen in Mathieus Musik-Sozialisation. "Dass ich heute Gelegenheit habe, mit ihm zu arbeiten, ist großartig", gesteht der Saarbrücker.

1978 kam Mathieu erstmals mit elektronischer Musik in Kontakt. Er erwarb bei einer Tombola die Single "Die Roboter" von Kraftwerk. Drei Jahre später veränderte sich durch "Kollaps", das Debütalbum der "Einstürzenden Neubauten", "so ziemlich alles" für ihn. Von da an habe er "viele andere Sachen entdeckt - auch zeitgenössische Musik, auf Tonträgern oder Konzerten des Saarländischen Rundfunks und der Musikhochschule". Er besuchte auch die legendäre Konzertreihe "Improvisierte Musik" in der Stadtgalerie. Eines der dortigen Konzerte gab ihm "den entscheidenden Hinweis, dass ich als Musiker leben will".

Mathieu wurde Schlagzeuger und spielte von 1990 an in seiner damaligen Wahlheimat Berlin "mit vielen großartigen Musikern aus der ganzen Welt - aus der Improvisationsszene, aber auch aus der sogenannten zeitgenössischen Musik und im Schnittpunkt von Noiserock und Hardcore". 1998 kam er zurück und beschäftigte sich intensiv mit Computermusik.

Heute hat er eine große Vorliebe für mechanisch-akustische Grammofone, Wachszylinder-Phonografen, analoge Computer, Kurzwellenempfänger sowie Instrumente aus der Renaissance, die er "mit digitalen Prozessen bearbeitet oder ganz akustisch spielt". Im Gegensatz zu Rockbands, die alle zwei bis vier Jahre ein Album veröffentlichen, erscheinen von Mathieu meist mehrere Alben pro Jahr. "Ich komponiere permanent. Oft sind es Stücke, die thematisch zusammenhängen. An einem gewissen Punkt fügen sie sich zu einem Album zusammen. Zurzeit faszinieren mich bestimmte Baureihen von elektronischen Farfisa-Orgeln." An Inspirationen mangelt es ihm nie. So hat er auch schon verschiedene Klanginstallationen umgesetzt. "Ich konzipiere eigens für bestimmte Räume oder Orte Klänge. Gerade entsteht eine Arbeit für einen Renaissance-Palast in Dijon. Ein Medienkunst-Festival hat mich beauftragt, ein Stück für einen sehr schönen Saal zu komponieren. Dafür nehme ich besonders starken Bezug auf die Architektur, die Proportionen des Saals, indem ich die Maße in Tonwerte und Dauern umsetze und diese von einem Cembalo spielen lasse, auf dessen Saiten ich Elektromagnete setze, um bestimmte Töne permanent klingen zu lassen."

Ob er sich für normal oder doch etwas verrückt hält, diese Frage beantwortet Mathieu mit einem Zitat des US-Komponisten John Cage: "Das ist eine gute Frage. Ich möchte sie nicht durch eine Antwort ruinieren."

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