Zwischen beschaulich und wild

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Saarbrücken. Hartnäckig wird behauptet: "Früher hatte Deutschland die schönsten Straßen und Frankreich die schlechtesten, heute ist es umgekehrt; französische Städte sind sauberer als deutsche." Beweiserhebung an der Goldenen Bremm, Bundesstraße 41, in diesen schmuddeligen Tagen: Stimmt nicht, hier jedenfalls nicht. Wie wohltuend muss es der Reisende empfinden, wenn er aus dem schlecht gekehrten, unaufgeräumten, von verlassenen Häusern durchsetzten Spicheren und seiner kaputten Durchgangsstraße auf die deutsche Seite gelangt. In der fahrbahntechnisch intakten Mainzer Straße, wo nach Zählung der Straßenbehörde an normalen Tagen in 24 Stunden 13 570 Fahrzeuge verkehren, sieht es zwar nicht so proper aus, wie man es sich von einem wichtigen Eingangstor wünschte, aber der erste Eindruck verheißt Ordnung. Woran der linkerhand gelegene Hauptfriedhof maßgeblich beteiligt sein dürfte. Auch Grabsteinbetriebe und Gärtnereien beeinflussen ein Stadtbild grundsätzlich eher zum Guten als Gebrauchtwagen- und Matratzen-Läden. Wohnbebauung und Bepflanzung bringen dank guter Pflege und dem Stilempfinden der Eigentümer Niveau.

Die Beschilderung ist üppig, aber nicht ganz überzeugend. Kaum in Deutschland angekommen, wird dem Verkehr durch absolute Halteverbote das Verweilen verleidet - wo soll man denn parken, um seinen Lottoschein abzugeben? Wer in die "City" will, die hier immerhin thematisiert wird (anders als auf der A 623), der wird nach links auf den weiten Weg über die Dr.-Vogeler-Straße und die Stadtautobahn A 620 geschickt. Ortskundige fahren natürlich geradeaus und erhalten nach hundert Metern durch einen weiteren, allerdings den letzten Hinweis auf die "City", die Bestätigung, dass sie damit richtig fahren.

Nur noch "Alt-Saarbrücken"

Danach verheißen die Wegweiser nur noch "Alt-Saarbrücken". Das nutzt Einheimischen nichts, weil sie den Weg kennen und Fremden gar nichts, weil sie nicht wissen, was sie in Alt-Saarbrücken erwartet. Ist das der Stadtteil mit Kaufhof und Karstadt? Nein, eher nicht. Da passt es ins Bild, was die regelmäßig hier mit dem Rad verkehrende Journalistin Silvia Buss berichtet - dass sie ständig von Franzosen nach dem Weg zu den großen Geschäften gefragt wird. Zumindest am prächtigen Kreisel Untertürkheimer Straße, wo eine monumentale Stele in digitaler Weise falsche Lufttemperaturen anzeigt (vier Grad zu wenig, warum nur?) könnte sich der Verkehrsteilnehmer zusätzliche Hinweise vorstellen. Wer den Geradeausweg in die Stadt gefunden hat, darf nun, in Höhe des Deutsch-Französischen Gartens, über eine interessante Raumaufteilung der - teilweise abgefrästen - Bundesstraße räsonieren: ganz rechts Fußgänger und Radler, rechts Busse, links übriger Verkehr, dem allerdings keine Mittellinie Orientierung anbietet. So kommt es vor, dass Ortsfremde bisweilen unentschlossen hin- und hersteuern. Hier wird gern auch mal 100 statt 50 gefahren, was dieser alles in allem sehr wilden Passage schlechte Noten durch die schwachen Verkehrsteilnehmer einbringt. Erst ab der Bellevue in die Stadt hinunter kehrt Beschaulichkeit ein.

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