Zwei Stunden Martyrium

Saarbrücken · Zwei Stunden lang hat ein Räuber-Duo eine Seniorin gequält und ihren Mann und Enkel bedroht. Sie wollten an das Geld und den Schmuck der Familie im Tresor gelangen. Fast vier Jahre danach steht nun einer der mutmaßlichen Täter vor Gericht.

 Der 33-jährige Angeklagte (Mitte) steht wegen erpresserischen Menschenraubes und Körperverletzung vor Gericht. Foto: Becker&Bredel

Der 33-jährige Angeklagte (Mitte) steht wegen erpresserischen Menschenraubes und Körperverletzung vor Gericht. Foto: Becker&Bredel

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Noch vor der Verlesung der Anklage durch den Staatsanwalt sind gestern die ersten Tränen im großen Sitzungssaal des Saarbrücker Landgerichts geflossen. Als die 76-jährige Rentnerin einem der Männer gegenübersaß, die vor knapp vier Jahren bei ihr eingebrochen waren, sie erheblich misshandelt und gedroht hatten, ihrem Enkel einen Finger abzuschneiden, kamen die Emotionen hoch.

Der 33-jährige Deutsch-Russe S. gab am ersten Prozesstag zu, sich mit einem Komplizen - "ein Pole, er ist größer und schmaler als ich" - an dem Überfall auf das Rentnerpaar in Homburg-Wörschweiler beteiligt zu haben. Dennoch versuchte er in seiner Aussage vor der Großen Strafkammer, seine Rolle herunterzuspielen. Den Überfall hätten der kokainabhängige Angeklagte und sein Komplize ursprünglich als reinen Einbruch geplant. Sie wollten beim Ehepaar Geld und Schmuck stehlen, um sich weitere Drogen kaufen zu können. "Circa fünf Tage vor der Tat sagte mein Mittäter, dass es kein Diebstahl werden würde. Im Haus sei ein Tresor und den müssten wir uns durch den Mann, der da wohnt, aufschließen lassen", so der Angeklagte .

Doch es kam ganz anders. Als S. - schwarz gekleidet, mit einer Skimaske über dem Kopf und einer Gaspistole bewaffnet - an diesem Oktoberabend gegen 18.30 Uhr an der Haustür klingelte, machte die damals 73-jährige Frau die Tür auf. Sie hatte kurz zuvor ihren achtjährigen Enkel vom Fußballtraining abgeholt und beide sahen fern. Die Männer stürmten in das Haus. "Ich habe mich mit den Armen gewehrt, aber der Große drückte mich nach unten und würgte mich", berichtete gestern das Opfer, das während seiner Aussage zitterte und immer wieder mit den Tränen kämpfte. Dann habe er sie in die Wohnung geschleift, mit Kabelbindern gefesselt und mit Klebeband geknebelt.

"Mein Mittäter hatte die Kabelbinder so eng zusammengezogen, dass man die Adern der Frau extrem gesehen hat. Ich habe die Fesseln abgeschnitten und wieder angelegt, aber lockerer. Der Junge kam dazu. Er sagte zu uns ‚Macht bitte meiner Oma nix, ich hab' sie lieb'. Und ich sagte, dass wir nur das Geld wollen und den beiden nichts antun würden", schilderte S. Doch als die Frau sagte, sie wüsste nichts von einem Tresor im Haus, wurden die Räuber ungeduldig. "Ich wurde mit der Pistole auf den Kopf geschlagen, und der Große sagte, wenn ich nichts sage, würde er meinem Enkel den Finger abschneiden. Er hatte einen großen Dolch dabei", so die Frau. Als später ihr Mann nach Hause kam, wurde er in der Küche von S. abgefangen und mit der Pistole bedroht. Erneut sei angedroht worden, dem Kind einen Finger abzuschneiden, berichtete der mittlerweile 82-jährige Ehemann. Nach rund zwei Stunden verließen die Täter das Haus mit der Beute, und der Achtjährige rief die Polizei . Die Großmutter kam mit drei gebrochenen Rippen, einer Gehirnerschütterung und verschiedenen Prellungen in die Homburger Uniklinik. "Sie war übel zugerichtet worden", sagte eine Polizeibeamtin, die an dem Abend die DNA-Spuren an der Frau sicherte.

"Es tut mir so leid. Wenn nicht die Drogen wären, hätte ich das nie gemacht. Ich habe selbst Kinder", verteidigte sich gestern der Angeklagte . Er hätte sich auf die Aussage seines Komplizen verlassen, dass sich nur der Mann in dem Haus aufhalten und "alles locker laufen" würde. Mehr zu dem Mittäter, der sich laut dem Angeklagten mittlerweile mit einem Teil der Beute nach Polen abgesetzt haben soll, verriet er gestern dem Gericht nicht. Laut Anklage handelt es sich bei der Beute um "Schmuck und Uhren im Wert von circa 200 000 Euro". Wird S. schuldig gesprochen, riskiert er für den gemeinschaftlichen erpresserischen Menschenraub mindestens fünf Jahre Haft. Das Verfahren wird fortgesetzt.

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