Zur Stoßzeit ist die Saarbahn rappelvoll

Regionalverband · Zum vierten Mal in kurzer Zeit kam ein treuer Saarbahnkunde nicht in den überfüllten Wagen rein. Das Verkehrsunternehmen sagt, es könne nicht immer zwei Züge koppeln. Und es könne sie nicht sofort trennen, wenn der Ansturm vorbei ist.

 Hier begegnen sich zwei Saarbahnen auf der Strecke in Riegelsberg in Höhe des Marktplatzes. Archivfoto: Iris Maurer

Hier begegnen sich zwei Saarbahnen auf der Strecke in Riegelsberg in Höhe des Marktplatzes. Archivfoto: Iris Maurer

 Am Landwehrplatz ist bei Schulschluss viel los. Deshalb kam Fahrgast Walter Günther nicht mehr in die Bahn. Archivfoto: Becker&Bredel

Am Landwehrplatz ist bei Schulschluss viel los. Deshalb kam Fahrgast Walter Günther nicht mehr in die Bahn. Archivfoto: Becker&Bredel

Am Landwehrplatz ging gar nichts mehr. Die Saarbahn war gegen 11.30 Uhr überfüllt. So sehr, dass der Saarbrücker Walter Günther nicht mehr an den von Menschentrauben zugestellten Doppeltüren einsteigen konnte. Also setzte er auf einen letzten Weg in den Wagen, die Einzeltür neben der Fahrerkabine. Wohl wissend, dass dort eigentlich niemand rein kann. "Prompt hat mir der Fahrer einen ,Scheibenwischer ' gezeigt, und weg war die Bahn." Zum vierten Mal binnen kurzer Zeit sei er auf dem Bahnsteig zurückgeblieben und habe wertvolle Zeit verloren. "Ich bin nicht der Einzige, dem das passiert." Günther ging zur Saarbrücker Zeitung. Mit Wut im Bauch. Und Fragen, die ihm auf den Nägeln brennen. "Warum koppeln die von der Saarbahn nicht immer, wenn viel los ist, zwei Züge zur sogenannten Doppeltraktion aneinander?" Dagegen sehe er solche Gespanne oft, wenn nicht so viel los sei. Sollte ihm noch öfter eine überfüllte Bahn vor der Nase wegfahren, ziehe er die Konsequenzen. "Meine Jahreskarte kostet 866 Euro. Wenn ich dann doch nicht fahren kann, steige wieder aufs Auto um." Hat die Saarbahn womöglich nicht genug Züge für die seit dem Start 1997 mehrfach verlängerte Strecke?

Die SZ bat Saarbahn-Sprecherin Sarah Schmitt um eine Stellungnahme. Sie äußerte sich zu Fahrgastzahlen, zur Strecke und den speziell für das Unternehmen gebauten Straßenbahnen. Demnach brachte der Ausbau bis Lebach einen deutlichen Passagier-Zuwachs.

Fuhren 2014 und 2013 jeweils etwa zwölf Millionen Menschen Saarbahn, so waren es 2015, dem ersten vollen Jahr nach der Verlängerung bis Lebach, etwa 13,2 Millionen. 28 Saarbahnen gehören dem Unternehmen seit dem Betriebsbeginn. Schmitt: "Davon waren 25 in Saarbrücken im Einsatz. Drei waren bis 2014 nach Karlsruhe ausgeliehen. Sie kamen zurück zur Inbetriebnahme der neuen, etwa zehn Kilometer langen Strecke nach Lebach und sind seither hier im Einsatz."

Zwar reiche für die aktuelle Ausbaustufe von Lebach bis Saargemünd der jetzige Fahrzeugbestand grundsätzlich aus. "Dennoch werden die Fahrzeuge älter, und der Aufwand in der Instandhaltung steigt." Und die Anschaffung von neuen Triebwagen sei "leider nicht kurzfristig möglich". Denn die Saarbahnen seien Spezialanfertigungen, die nicht irgendwo "auf Reserve" rumstehen. "Der Produktionszeitraum beträgt in der Regel zwei bis drei Jahre." Und jeder Triebwagen koste rund fünf Millionen Euro. Die Saarbahn könne sich "als systembedingt defizitäres kommunales Verkehrsunternehmen allein aufgrund dieser Rahmenbedingungen nur eine beschränkte Zahl an Reservefahrzeugen" leisten. Schmitt zufolge sind in den Stoßzeiten alle verfügbaren Bahnen auf der Strecke, auch als Doppelgespanne. Hauptverkehrszeiten seien montags bis freitags von 6.30 bis 8.30 Uhr sowie von 12.30 bis 14.30 Uhr.

Wobei Gespanne auf der gesamten Strecke aneinanderbleiben. "Eine Bahn unterwegs abzukoppeln und an eine Einzeltraktion zu hängen, ist nicht möglich. So kann der Eindruck entstehen, dass Doppeltraktionen noch auf Strecken oder zu Zeiten im Einsatz sind, wenn der Fahrgaststrom bereits abgenommen hat." Zu solchen im Grunde planbaren Besonderheiten kommen die Widrigkeiten des Alltags. Besonders schlimm: die Unfälle.

Reparaturzeiten unterscheiden sich, wie Schmitt erläutert, je nach Unfall erheblich. "Zum Teil müssen wir Ersatzteile bestellen, deren Lieferung lange dauern kann - vor allem, weil das Saarbrücker Bahnmodell eine Spezialanfertigung ist."

Sind mehr Wagen als geplant in der Werkstatt, gehe es vor allem darum, keine Fahrt ausfallen zu lassen. Ehe das passiert, starte dann nur ein Wagen. Und der ist dann womöglich an den Haupttüren überfüllt.

Dass der Einstieg vorn trotzdem verschlossen bleibt, erklärt die Unternehmenssprecherin wie folgt: In Riegelsberg liegen zwei Haltestellen so, dass die Vordertür einfach zu bleiben müsse. "Der Einstieg lässt sich aber nicht für einzelne Haltestellen, sondern nur generell blockieren." Außerdem sei der Einstieg nicht barrierefrei und eng. Die abfällige "Scheibenwischer "-Geste für einen Fahrgast gehe trotzdem nicht.

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