Zeitzeugen sozialer Veränderungen

Merzig · Seit 1975 waren Brigitte Steffen und Maria Schmidt-Buchmann für die Merziger Lebensberatung aktiv. Jetzt gehen die Psychologin und die Sozialarbeiterin in den Ruhestand und hinterlassen dabei nicht nur menschlich eine große Lücke.

 Maria Schmidt-Buchmann (links) und Brigitte Steffen. Foto: Ruth Solander

Maria Schmidt-Buchmann (links) und Brigitte Steffen. Foto: Ruth Solander

Foto: Ruth Solander

Der Jahreswechsel brachte in der Lebensberatung Merzig wichtige personelle Veränderungen mit sich. Mit der Beendigung der fast 40-jährigen beratenden Tätigkeit von Psychologin Brigitte Steffen und Sozialarbeiterin Maria Schmidt-Buchmann geht in Merzig eine Ära zu Ende. "Dies ist ein großer Einschnitt, denn mit den beiden Mitarbeiterinnen gehen die zwei Beraterinnen der ersten Stunde in den Ruhestand", sagt Bruno Heinz, Leiter der Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle, deren Träger das Bistum Trier ist. 1975 nahmen Steffen und Schmidt-Buchmann zusammen mit der damaligen Sekretärin Rita Zenner in der Poststraße in Merzig ihre Arbeit in der neu gegründeten Beratungsstelle auf. "Damals berieten wir schwerpunktmäßig Menschen mit Erziehungsfragen. Stetig wachsende Nachfrage nach einer Eheberatung führte in der Folge zum personellen Ausbau der Stelle", erzählt Brigitte Steffen. 1981 kam als dritte Beratungsfachkraft der Psychologe Horst Krumnacker hinzu. Zwei Jahre später übernahm Petra Klein als neue Verwaltungsfachkraft die Sekretariatsaufgaben.

Brigitte Steffen wurde 1975 erste Leiterin in der neuen Stelle und blieb in dieser Funktion bis Ende 2002. Bruno Heinz übernahm vor elf Jahren die Leitung. "Ich bin zu einem engagierten und kompetenten Team gestoßen. Meine Vorgängerin unterstützte mich von Beginn an in meiner neuen Aufgabe. Das freundschaftliche, vertrauensvolle und loyale Miteinander des gesamten Teams haben mir den Start in Merzig leicht gemacht", erklärt Heinz. Fachlichkeit, Verlässlichkeit und Konstanz sind seit Beginn ein Aushängeschild der Stelle. Das sei ein Verdienst der über Jahrzehnte gewachsenen stabilen Teamstruktur, betont der Leiter. Der Psychologe Renato Barachino folgte Horst Krumnacker nach, der 2009 aus dem aktiven Dienst ausschied. Die Psychologin Jennifer La Rocca verstärkt seit Ende letzten Jahres das Team der Beratungsstelle.

Als die Beratungsstelle vor nunmehr 39 Jahren ihre Tätigkeit aufnahm, war der Anfang geprägt vom Aufbau der Einrichtung. Damals gab es in der Stadt Merzig und im Kreis weit weniger Hilfeangebote für Eltern und Kinder als heute. Die beiden Beraterinnen bezeichnen sich selbst als "Zeitzeugen". "Vieles hat sich seit 1975 in den Lebens- und Beziehungsbedingungen für Familien verändert und die Beratung hat sich diesen Entwicklungen angepasst", macht Maria Schmidt-Buchmann deutlich. Die Lebenslagen von Familien driften zusehends auseinander. Manche Familien sind heute finanziell besser aufgestellt, beide Elternteile sind meist berufstätig, der Lebensstandard ist höher, Kinderzimmer sind mit neuen Medien ausgestattet. Andererseits leben viele Kinder in Armut, Eltern sind oft am Limit.

Die Anmeldungen für eine Beratung waren in den 70er Jahren weniger als heute. Oft genug waren noch Scham und Ängste eine Barriere, sich wegen seiner Probleme an eine Beratungsstelle zu wenden. "Das galt als Eingeständnis von Misslingen. Wer wollte schon etwas mit einem Psychologen zu tun haben? Diese Ängste zu nehmen und Schritt für Schritt beide Elternteile, beide Partner oder die ganze Familie in eine Beratung mit einzubeziehen, war eine große Aufgabe für uns. Denn es geht um die Veränderung von Beziehungen, damit die Beteiligten wieder ins Gespräch miteinander kommen", erläutert Brigitte Steffen. Da Familienstruktur und Rollenverständnis vor 40 Jahren ganz anders als heute waren und die Erziehung überwiegend in den Händen der Mütter lag, nahmen Väter früher weniger an Beratungen teil.

Heute sind die Anmeldungen im Vergleich zu den Anfangsjahren um ein Vielfaches gestiegen. Auch ist es für viele Männer selbstverständlich geworden, Beratung in Anspruch zu nehmen. "Familien, Eltern und Kinder stehen heute unter einem immer größer werdenden Druck. Wird der Druck zu groß, kann es zu Überforderungen und Krisen kommen. Oftmals fehlt es an Zeit-Ressourcen", weiß Maria Schmidt-Buchmann. Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, Kinder alleine zu erziehen oder sich in neuen Familienformen zu arrangieren, gilt es heute zu meistern. War in den 70er und 80er Jahren die Scheidungsquote noch relativ niedrig, so hat diese in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen, auch im Landkreis Merzig-Wadern. In 2012 lebten 58 Prozent der Kinder, die in die Beratungsstelle kamen, nicht mehr bei beiden leiblichen Eltern. Trennung, Scheidung und ihre Auswirkungen auf Kinder und Erwachsene sind mehr und mehr zum zentralen Arbeitsfeld geworden. Komplexer gewordene Familien- und Lebenskrisen prägen heute zunehmend den Beratungsalltag. Gleichzeitig gewinnt die Prävention an Bedeutung. Durch zusätzliche Kooperation mit anderen Einrichtungen und die Einbindung in Netzwerke trägt die Lebensberatung diesen Erfordernissen Rechnung. "Als unsere Aufgabe habe ich es immer gesehen, Menschen in schwierigen Lebensphasen zu begleiten. Die Lebensberatung bietet hierfür den Ort und auch zeitlich den Raum", erklärt Maria Schmidt-Buchmann. Das jetzige Fachteam, das den Generationenwechsel Schritt für Schritt vollzogen hat, ist gut aufgestellt für neue Angebote und kann sich in der bewährten Kontinuität weiter bewegen.

Infos: Lebensberatung Merzig, Trierer Straße 20, Telefon (0 68 61) 35 49 oder (0 68 61) 7 48 47. E-Mail: lb.merzig@bistum-trier.de.

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Auf einen BlickIn der Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle Merzig kommen die Mitarbeiter aus den Fachrichtungen Psychologie und Sozialpädagogik. Es wird im Team gearbeitet und die Beratung unterliegt der Schweigepflicht. Es wird unabhängig von Konfession, Weltanschauung oder Nationalität beraten. Die Beratung ist kostenlos und kann telefonisch oder per E-Mail vereinbart werden. rso

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