Zank um Klasse statt Masse

Saarbrücken · Vor rund drei Jahren hat der SPD-Politiker Ulrich Commerçon den Schulgipfel der Jamaika-Koalition platzen lassen, weil ihm die Verringerung der Klassengrößen nicht ambitioniert genug angegangen wurde. Jetzt steht Bildungsminister Commerçon selbst wegen dieses Vorwurfs in der Kritik.

Das Bildungsministerium hat Vorwürfe von Eltern wegen zu hoher Schülerzahlen pro Klasse und einer Verschärfung der Situation durch die Einführung der Inklusion zurückgewiesen. Anders als etwa eine Gruppe von Eltern der Grundschule in Oberlinxweiler behaupte, habe das Saarland nicht den höchsten Klassenteiler in der Bundesrepublik und die Umsetzung der Inklusion "keine verzögernde Wirkung im Hinblick auf die Zielerreichung kleinerer Klassen und einer verbesserten Schüler-Lehrer-Relation", erklärte das Bildungsministerium gegenüber unserer Zeitung.

Die Elterngruppe hatte vor rund drei Wochen eine Online-Petition gestartet, in der es unter anderem heißt: "In dem letzten Koalitionsvertrag wurde festgehalten, dass der Klassenteiler an saarländischen Schulen gesenkt werden soll. Leider wurde bis dato das Versprechen nicht eingehalten. Stattdessen wurde noch die Inklusion eingeführt." Das Saarland habe bereits "den höchsten Klassenteiler in der BRD". Anlass für die Online-Petition, die derzeit 464 Unterstützer hat, ist nach Angaben von Agatha Ienco (Elterngruppe) die im nächsten Schuljahr geplante Zusammenlegung zweier Klassen mit derzeit jeweils 16 Schülern an der Grundschule in Oberlinxweiler zu einer - mit dann 29 Kindern. Grundsätzliche Kritik an Klassengrößen und personeller Begleitung der Inklusion üben auch Eltern- und Lehrerverbände im Land.

Das Bildungsministerium hat in seiner Stellungnahme mitgeteilt, dass im Koalitionsvertrag von CDU und SPD eine Klassengröße von maximal 22 Kindern an Grundschulen "angestrebt" werde. Bei größeren Klassen sei "eine intensive und individuelle Förderung durch eine Gewährung von zusätzlichen Lehrerstunden" vorgesehen. Dies sei in diesem Schuljahr auch umgesetzt worden. Eine geänderte Verordnung ermögliche es zudem, dass "Grundschulen zusätzliche Klassen einrichten können, wenn es im Jahrgang durchschnittlich mindestens 20 Kinder pro Klasse gibt". Nach dem gültigen Klassenteiler von 29 Kindern könnten nun damit bei 80 Schülern vier Klassen à 20 Kinder statt bislang drei Klassen mit 26 bis 27 Kindern gebildet werden.

An Gemeinschaftsschulen und Gymnasien sieht der Koalitionsvertrag vor, "in den nächsten Jahren" und "Schritt für Schritt" die Klassengrößen in den Stufen 5 und 6 auf 25 und in den übrigen Stufen auf 27 Schüler zu verringern. Diesem Plan habe man sich mit einem Klassenteiler von maximal 29 Kindern in allen Klassenstufen bereits angenähert. An Gemeinschaftsschulen gebe es bei mehr als 25 Schülern pro Klasse zudem zusätzliche Lehrerstunden. In allen Schulformen liege die "durchschnittliche Klassengröße" ferner unter dem Wert manch' anderer Bundesländer - nämlich in Grundschulen bei 20,6, in Gemeinschaftsschulen bei 23,7 und in Gymnasien bei 25,2, so das Ministerium.

Mit Blick auf die Inklusion wies das Ministerium darauf hin, dass diese bewusst schrittweise eingeführt werden soll. Geplant ist, sie im kommenden Schuljahr vorerst nur an Grundschulen einzuführen, ein Jahr später an allgemeinbildenden weiterführenden Schulen und ab dem Schuljahr 2020/21 an beruflichen Schulen. Zudem sei der sonderpädagogische Förderbedarf in diesem Schuljahr erstmals rückläufig - und halte diese Entwicklung an, könnten weitere Förderschullehrer zusätzlich an Regelschulen eingesetzt werden.

Das ist nach Ansicht des Grünen-Abgeordneten und früheren Bildungsministers Klaus Kessler zwar "der richtige Weg". Aber: "Um die Inklusion zu stemmen, braucht es mehr Personal, als das Bildungsministerium derzeit dafür einplant." Der Reduzierung der Klassengrößen komme dabei eine zusätzliche Bedeutung zu. "Und hier tut das Bildungsministerium bei allen Absichtsbekundungen schlicht zu wenig."

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