Wo Pflanzen Häckelränder haben

Saarbrücken · Die Natur, die uns umgibt, ist eigentlich keine. Kaum wächst noch etwas, das der Mensch nicht beeinflusst und verändert hat. Das ist das Thema der neuen Ausstellung „Nach der Natur“, zu der Stadtgalerie-Chefin Andrea Jahn vier Künstler eingeladen hat.

 Lukas Bardill, Gabriela Gerber, Ursula Palla und Regula Dettwiler (von links) hinter einem Vorhang aus Angelhaken in der Stadtgalerie. Morgen ist Eröffnung der neuen Schau. Foto: Iris Maurer

Lukas Bardill, Gabriela Gerber, Ursula Palla und Regula Dettwiler (von links) hinter einem Vorhang aus Angelhaken in der Stadtgalerie. Morgen ist Eröffnung der neuen Schau. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

. Pflanzen, die in Minutenschnelle ganze Fenster zuwachsen, Angelhaken, die an Schnüren von der Decke hängen und Blattschneiderameisen, die Geldnoten vertilgen - das sind nur einige der Werke, die man ab Freitag in der Ausstellung "Nach der Natur" in der Stadtgalerie sehen kann.

"Der Gedanke ist, dass uns eigentlich nur kultivierte Natur umgibt. Nicht nur Gärten oder Parks wurden von Menschenhand erschaffen, auch unsere Wälder und Felder sind manipulierte Natur", erklärt Andrea Jahn, Leiterin der Stadtgalerie, die Idee hinter der Ausstellung. Dafür hat sie zwei Künstlerinnen und ein Künstlerpaar aus der Schweiz eingeladen, um deren künstlerische Positionen zum menschlichen Umgang mit der Natur auszustellen. Und was Regula Dettwiler, Ursula Palla, Gabriela Gerber und Lukas Bardill präsentieren, ist überraschend, beeindruckend, humorvoll und immer äußerst ästhetisch.

Ursula Palla ist vorwiegend Video-Künstlerin. Sie hat in der Blumenbörse in Amsterdam gefilmt, wie weiße Blumen bunt gefärbt wurden. "Die Blume wird dadurch zum Farbträger, das Natürliche künstlich verändert. Und die gefärbten Blumen müssen dann zum Sondermüll", erklärt sie zu ihrem Video "Flowers 4". In dem Film ist es ihr gelungen, die Blumenbörse wie ein Atelier aussehen zu lassen. Wie beim "Action painting" werden die Blumen in Farbe getaucht und dann geschüttelt. Die Wände der Blumenbörse sind über und über mit Farbspritzern versehen, besitzen eine Ästhetik, die die Blumen gerade verloren haben.

Gabriele Gerber und Lukas Bardill zeigen ebenfalls eine Videoinstallation. Für ihre Arbeit "Dornröschen" wurden in einem Saal der Stadtgalerie die Fenster verblendet. In diesen neun arkadenartigen Nischen wird nun innerhalb weniger Minuten vorgeführt, wie Pflanzen diese Nischen zuwachsen. "Das, was aussieht wie ein Urwald, ist aber nur keimende Gelbsenfsaat, wenige Zentimeter hoch. Und es ist auch kein Film, es sind 3000 aneinandergereihte Fotos", erklärt Gabriele Gerber zu ihrer Arbeit, die zeigt, dass wuchernde Natur ein Mythos sein kann.

Die Werke von Regula Dettwiler sind verblüffend. Sie malt - akribisch genau in Darstellung und Präsentation - botanische Aquarelle. Erst auf den zweiten Blick sieht der Betrachter, dass sie nicht lebendige Pflanzenteile darstellt, sondern auseinander gepflückte Plastikblumen, "made in China", samt Steckvorrichtung und Plastikringen. Daneben stellt sie echte Orchideen im Topf, deren Blätter aber mit Borten verziert sind. So verwischt Regula Dettwiler die Grenzen zwischen natürlichen und künstlichen, sowie künstlerisch veränderten Pflanzen. Und genauso wie ihre Arbeiten, so ist auch die Ausstellung eine Entdeckung. Das Thema der Ausstellung, die von Menschenhand veränderte Natur, ist keine leichte Kost. Die künstlerischen Umsetzungen des Themas sind aber allesamt einfallsreich, stilvoll und sehenswert. Und sie bringen dem Besucher das Thema nahe, ganz ohne ein schlechtes Gewissen zu machen.

Die Vernissage der Ausstellug "Nach der Natur. Regula Dettwiler, Ursula Palla, Gabriela Gerber & Lukas Bardill" ist am Freitag, 11. Juli, 19 Uhr. Die Arbeiten sind bis 28. September zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 12 Uhr bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertage von 11 bis 18 Uhr. (19. bis 31. August ist die Galerie geschlossen).

stadtgalerie.de

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