Wo der ausländische Gast gute Karten findet

Saarbrücken. Lechona, Brodet oder Trippa? Wenn Sie wissen, was das ist, sind Sie entweder weit gereist, kulinarisch bewandert oder mehrsprachig. Oder die Speisekarte war im Urlaub übersetzt. Auf Mallorca gibt's Spanferkel, wenn Sie Lechona ordern. In Kroatien heißt eine Fischsuppe Brodet, und wenn Sie Trippa in der Toskana wählen, kommen Kutteln

 Kira Ochs studiert die mehrsprachige Speisekarte im Saarbrücker Gasthaus "Zum Stiefel". Foto: Becker&Bredel

Kira Ochs studiert die mehrsprachige Speisekarte im Saarbrücker Gasthaus "Zum Stiefel". Foto: Becker&Bredel

Saarbrücken. Lechona, Brodet oder Trippa? Wenn Sie wissen, was das ist, sind Sie entweder weit gereist, kulinarisch bewandert oder mehrsprachig. Oder die Speisekarte war im Urlaub übersetzt. Auf Mallorca gibt's Spanferkel, wenn Sie Lechona ordern. In Kroatien heißt eine Fischsuppe Brodet, und wenn Sie Trippa in der Toskana wählen, kommen Kutteln. Wer Pech hat, muss im Wörterbuch blättern oder auf einen versierten Kellner hoffen. Sonst blühen Kutteln. Und wie sieht's für Touristen bei uns aus? 2010 gab es im Regionalverband 529 592 Übernachtungen von 269 971 Gästen. 76 649 dieser Übernachtungen gingen dem Statistischen Landesamt zufolge auf das Konto ausländischer Besucher. Dazu kommen 1,7 Millionen Tagestouristen. Viele aus Frankreich und Luxemburg.Sind unsere Restaurants mit mehrsprachigen Karten gewappnet? Wir hörten uns um.

Die gute Nachricht: Es gibt mehrsprachige Speisekarten. Manche sind sogar dreisprachig. Die schlechte: Standard ist das nicht. Die meisten Lokale verfassen ihre Karten nur auf Deutsch. Aber die Gastronomen geloben unisono Besserung. Im Oro, Langenfeld, Gemmel oder Tante Maja am St. Johanner Markt gibt's nur deutsche Speisekarten. Lena Schäfer (30), Chefin des Gemmels, hat viele fremdsprachige Gäste. "Manche sind schon ein wenig verärgert, wenn wir ihnen unsere deutsche Karte vorlegen." Die Karte wechselt alle acht Wochen. Eine professionelle Übersetzung kostet Geld, das Schäfer sich spart. "Außerdem", sagt sie, "sprechen wir Englisch und ein wenig Französisch. Den Rest bügeln wir mit Charme aus." Geplant sei die mehrsprachige Karte aber. "Es wäre toll, wenn wir unseren Gästen auch über die Karte das Gefühl geben, willkommen zu sein." Die "Tante Maja" ist gleich ums Eck. Kellnerin Eva Bender (27) gesteht, dass sie einen Tisch, an dem Franzosen sitzen, nicht bedient. "Ich schicke einen meiner Kollegen, der Französisch spricht. Mir ist es unangenehm, wenn ich vor den Gästen stehe und kein Wort verstehe." Mehrsprachige Karten würden ihr den Job erleichtern, sagt sie. Geschäftsführerin Catalina da Palma (37) will in den nächsten Wochen "endlich eine mehrsprachige Karte einführen. Wir haben immer mehr ausländische Gäste, die uns nicht verstehen." Probleme gibt es trotzdem nicht: Die Kellner dolmetschen. "Aber es stimmt: Es wäre einfacher, weil es viel Zeit raubt, wenn man erst die Namen der Gerichte übersetzen muss." Gegenüber wird's vielfältiger. Im Bruch's No. 1 und im Klimbim wird den Gästen eine dreisprachige Karte gereicht. "Eingeführt wurde sie 2006 zur WM", erklärt Chef Thomas Caldwell (49), der beide Restaurants seit 2003 führt. "Da war abzusehen, dass mehr ausländische Gäste kommen. Seitdem haben wir die Gerichte auch in Französisch und Englisch auf der Karte." Die Seite mit den saarländischen Spezialitäten wie Gefillde, gegrillte Lyoner, Hòòrische und Dibbe-labbes ist "sehr beliebt" - und natürlich übersetzt. "Es kommt gut an", sagt Caldwell, "wenn Franzosen ihre Sprache sehen, fühlen sie sich willkommen und bleiben dann sitzen." Etwa 20 Prozent der Gäste sind aus dem Nachbarland, aber es kommen auch Japaner und Menschen aus vielen anderen Nationen. "Die können dann meist Englisch", sagt Caldwell.

Vorbildlich ist auch der "Stiefel". Für Britta Bruch (55) sind die mehrsprachigen Karten (deutsch, französisch, englisch) längst eingeführt. "Wir sind ein historisches Haus mit vielen ausländischen Gästen. Besonders Franzosen, aber auch viele von der Uni kommen mit ihren ausländischen Kollegen hier essen. Sie sollen sich wohlfühlen. Die Karte ist das erste Zeichen für Gastfreundschaft", sagt sie. So sieht das auch Alexa Weiß von der Tourismusförderung im Regionalverband. Gerade die Gastronomie am Markt sollte umdenken, empfiehlt sie: "Vielleicht muss nicht gleich die ganze Karte übersetzt sein, aber eine Seite, ein paar Gerichte. Als ein Zeichen, wie eine ausgestreckte Hand. Es ist einen Versuch wert und eine einladende Geste für unsere Touristen."

Und unsere Sterneköche? Jens Jakob (38) bietet in seinem "Le Noir" nur die deutsche Karte. Die Mitarbeiter übersetzen. Hauptgründe: Zeitmangel und Kosten. "Unsere Karte wechselt alle vier bis sechs Wochen. Wenn ich die übersetzen lasse, kostet das richtig Geld."

Das Gästehaus Erfort lockt mit drei Michelin-Sternen Gäste aus aller Welt. Die Speisekarte gibt's hier immerhin auch auf Französisch. Eine englische Karte plane er schon lange, sagt Drei-Sterne-Koch Klaus Erfort (38). "Dass wir die nicht haben, liegt einfach am Zeitmangel." "Die Karte ist das erste Zeichen

für Gast-

freundschaft"

Britta Bruch, Gasthaus

"Zum Stiefel"

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