Wiege und Bastion des Rock'n'Roll

Mindestens die Urgroßmutter von Jimi Hendrix muss in Saarbrücken ihr Katzenfutter gekauft haben. Anders lässt es sich nicht erklären: Nirgendwo sonst im Land der Dichter und Denker wird das Geplärre zu E-Gitarre und Schlagzeug dermaßen als Kulturgut glorifiziert.

Tribute-, Cover- und Revival-Bands, Classic Rock Radio und hastenicht gehört. In den Kneipen, Clubs und Hallen am Rande der Republik treten Altrocker auf, die andernorts keinen Hund mehr hinterm Ofen hervorlocken. Aber hier geht das, was anderes kommt nicht auf die Ohren. Ein Eindruck, der sich erhärtet, liest man die Bibel der hiesigen Musikgeschichte "Saar Rock History". Nicht weniger als 1421 regionale Gitarrengötter werden aufgelistet, die es in der Selbstwahrnehmung mindestens bis in die Rock'n'Roll Hall of Fame in Ohio, Cleveland, gebracht haben. Unterm Gitarrenlehrer von Eric Clapton macht es der Saarrocker von Weltruhm nicht. Jede Langhaarfrisur, jede Versicherungsvertreter-Keyboard-Covercombo seit der Landesgeburt ist sauber dokumentiert. Sie tragen Namen für die Ewigkeit, wie "Stahlbananen", "Saarbrück Libre" und "Tanzkapelle Nauwies 02". Ja, hier wurde nachweislich schon anlässlich des Versailler Vertrags geschrammelt und gebrüllt. Kurzum: Das Saarland ist die eigentliche Wiege und letzte Bastion des Rock'n'Roll. Allerdings endet die hiesige Musikentwicklung bereits jäh in den Neunzigern. Ein Exportschlager deutscher Hochkultur, in Hessen als "Teschno" bekannt, findet nicht statt. Ganze drei Electro-Künstler nennen die Autoren. Von einem einzigen, aber gescheiterten Festival Anfang des Jahrtausends ist die Rede. Wollen oder können sie kein "Bum, Bum, Butz", die Saarländer? Ich bleib' dran.

Kai Thomas ist in Hessen aufgewachsen. Derzeit führt ihn sein Volontariat täglich nach Merzig.

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